Deutsch

Von Thomas Blum

  • Lesedauer: 2 Min.

Seit langem kann die deutsche Sprache als erfolgreich komplett heruntergewirtschaftet gelten. Obwohl sie sich ständig verändert, verändert sie sich fortwährend zum Schlechteren. Sie ist kaltschnäuzig, oft schwerfällig bis zur Unerträglichkeit, hat deutliche Züge von Brutalität bis hin zum offenen Sadismus, und ihre Gesetze sind für die meisten normal denkenden Menschen nicht im Mindesten durchschaubar. Kurz: Sie ist genau wie die Deutsche Bahn.

Die einen produzieren mit ihr (der deutschen Sprache, nicht der Deutschen Bahn!) unermüdlich formschöne Gedichtbände, die »Regentonnenvariationen«, »Katzenkopfsteinpflaster« oder »Schädelbasislektion« heißen und sich ganz wunderbar als Briefbeschwerer oder Frühstücksbrettchen eignen. Andere, wie Politiker und deren mausgrau denkender Technokratentross, haben wiederum Spaß daran, ständig neue hässliche Quatschworte zu erfinden, mit denen sie dann hernach großzügig die Öffentlichkeit beschenken (»Eckpunktepapier«, »Mietpreisbremse«, »Lernerfolgskontrolle«). Das Wort »Kompromisskorridor« beispielsweise wurde gewiss von den Grünen erfunden, vielleicht aber auch von der Linkspartei oder einem der zahlreichen den Parteien angeschlossenen wunderbaren Quatschkopfinstitute, deren Hauptaufgabe ja auch aus dem Suchen, Finden und Publizieren neuer Quatschworte besteht, die man großzügig in Broschüren, Sonderdrucken, Tagungsbänden, Sitzungsprotokollen, auf Flugblättern und anderem frisch bedruckten Altpapier verteilen kann.

Und wieder andere, wie etwa die lustige Pegida- und Aluminiumhutträger-Fraktion, veranstalten derweil Nationalsozialismus-Gedächtniswochen mit der Sprache (»Lügenpresse auf die Fresse!«). Als unbestritten gelten kann obendrein, dass den glänzendsten, strahlendsten Sprachmüll noch immer die Kollegen von der Werbung herstellen (»atmungsaktiv«, »Frischeformel«). Oder man denke an ein Wort wie »Kult-«: »Kult« kann heute alles sein, von der Operninszenierung über den Salat bis zur Unterhose.

Man kann die Sprache aber auch, um ihr endgültig den Garaus zu machen, den Journalisten überantworten, die dann hechelnd über sie herfallen und mit ihr das machen, was eine Meute ausgehungerter Pitbulls mit einem winzigen, wehrlosen Kuschelkätzchen machen würde. Die Journalisten, da kann man sicher sein, geben ihr dann den Rest. »Man darf gespannt sein«, schreiben sie etwa ungestraft am Ende eines Textes. Oder: »Musikalisch ist eine bunte Mischung vorgesehen.« Oder gar: »Für das leibliche Wohl ist gesorgt.« Oder: »Das schlägt dem Pulverfass den Boden aus.« Oder: »Es war ein großer Spaß für Jung und Alt.« Jedenfalls kann sie weg, die deutsche Sprache.

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