Bei den Nahostverhandlungen droht jahrelanger Stillstand

Regierungsbildung in Israel steht weiter aus / Westliche Verbündete verlieren allmählich die Geduld

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
In letzter Minute hat Israel Steuer- und Zolleinnahmen an Palästinas Autonomiebehörde überwiesen; deren Bankrott ist vorläufig abgewendet. London und Paris arbeiten an einer neuen UNO-Resolution.

Es war die große Hoffnung rechter Israelis, dass der Likud-Block bei der Parlamentswahl am 17. März stärkste Fraktion wird und rechte und religiöse Parteien die Mehrheit erhalten. Doch in diesen Tagen wird auch Hardlinern wie dem Likudnik Mosche Feiglin zunehmend klar: »Die Mehrheit könnte dem Siedlungsprojekt zum Verhängnis werden.« Denn: »Mit der Wahl ist in der internationalen Gemeinschaft Hoffnungslosigkeit eingezogen«, sagt Jim McLay, ständiger Vertreter Neuseelands bei den Vereinten Nationen.

Und damit steigt der Druck auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, auf die Palästinenser zuzugehen, egal wie.

Dass das am Weitesten von Israel und Palästina entfernt gelegene Land in diesen Tagen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt erwähnt wird, hat diesen Grund: Seit Jahresbeginn hat es einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat. Und will sich dort nun mit einer Resolution zum Thema auf die politische Landkarte befördern - auch, um dem im eigenen Land zunehmenden politischen Druck zu begegnen, wie McLay sagt, der ab Mai Botschafter in Palästina werden wird. Gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien wolle man einen Entwurf einbringen, der beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückholt, »und das nicht nur, um ein bisschen zu reden«, wie ein britischer Diplomat in Tel Aviv sagt. Denn »die Zeit läuft davon«, so ein Mitarbeiter der französischen Botschaft.

Sollte in Israel tatsächlich eine rechts-religiöse Koalition regieren, droht jahrelanger Stillstand; Experten gehen davon aus, dass der Siedlungsbau schon bald so weit fortgeschritten sein könnte, dass eine Räumung von Ost-Jerusalem und Westjordanland logistisch innerhalb kurzer Zeit nicht mehr umsetzbar wäre. Gleichzeitig wird die Liste der Probleme in Palästina immer länger.

Das akuteste Problem, die drohende Pleite der palästinensischen Regierung, wurde nun hinausgezögert, nachdem sich Israel bereit erklärte, die seit fast vier Monaten zurückgehaltenen Einnahmen aus den Steuer- und Zollabkommen nicht länger zurückzuhalten; umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro hatten Palästina so gefehlt, während nächste Woche Kredite und Zinszahlungen in Höhe von umgerechnet 180 Millionen Euro fällig werden.

Die Krise ist damit aber keinesfalls abgewendet. Israels Regierung behält weiter rund 60 Millionen Euro für Stromlieferungen ein. Für diese war ein stark überhöhter Tarif angesetzt worden. Ursprünglich wollte Israel dafür sogar 100 Millionen Euro berechnen. Aus Protest dagegen hatte die Regierung in Ramallah Anfang des Monats eine Überweisung aus Israel kurzerhand zurückgeschickt, weil offenbar der überhöhte Tarif abgezogen worden war. Außerdem steht Ramallah jetzt vor der Aufgabe, die Löhne der 160 000 öffentlich Bediensteten auszuzahlen, die seit Monaten ausstehen.

Dass man im Ausland verstärkt auf die Uhr schaut, liegt auch am Alter von Präsident Mahmud Abbas. Er wurde vor Kurzem 80 Jahre alt; was geschieht, wenn er von einem Tag auf den anderen das Amt nicht mehr ausüben kann, ist ungewiss. Der palästinensischen Verfassung nach würde dann der Parlamentssprecher übergangsweise Präsident; innerhalb von 60 Tagen müssten Wahlen stattfinden. Doch die Amtszeit des Parlaments ist schon vor Jahren abgelaufen; der Sprecher stammt zudem von der Hamas. Innerhalb der Fatah-Fraktion von Abbas ist ein Machtkampf um seine Nachfolge entbrannt. Wer sich am Ende durchsetzen wird, ist völlig unklar.

Es sei vor diesem Hintergrund ein Luxus, darauf zu warten, dass in Israel eine Koalition übernimmt, die zu einer Einigung bereit ist, und bis dahin Verhandlungen als reines Mittel zur Verhinderung von Eskalationen zu sehen, sagt McLay; ein Zeitplan müsse her - eine Haltung die auch Frankreich und Großbritannien vertreten. Im Washington betont man in diesen Tagen, das amerikanische Veto im UNO-Sicherheitsrat bei allen gegen Israel gerichteten Resolutionen sei nicht in Stein gemeißelt. »Ideal wäre, wenn es gar nicht zu Rechts-Religiös käme«, sagt ein Mitarbeiter von Außenminister John Kerry. »Die Vetos im Sicherheitsrat beschädigen unser Verhältnis zur arabischen Welt.«

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