Lohn der Anständigkeit

Wladyslaw Bartoszewski: unsere Geschichte bleibt

  • Eva Krafczyk, Warschau
  • Lesedauer: 2 Min.

Selten sagt man beim Tod eines 93-jährigen, er sei mitten aus dem Leben gerissen worden. Aber Wladyslaw Bartoszewski, der am Freitagabend nach einem Schwächeanfall starb, war so ein Mensch: Rastlos bis zum Schluss. Noch am vergangenen Samstag sprach der ehemalige Außenminister am Denkmal der Warschauer Ghetto-Kämpfer über den einsamen Aufstand der Warschauer Juden vor 72 Jahren; diesen Montag sollte seine Ansprache die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen abschließen. Die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz will nun den letzten Text Bartoszewskis bei dem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Kabinett vorlesen.

Bartoszewski überraschte regelmäßig mit seiner Energie: Er ging zwar auf einen Stock gestützt, bewegte sich aber rasch auf den langen Korridoren der Warschauer Regierungskanzlei, wo er ein Büro hatte. Der Mann, den viele nur »Professor« nannten, sprach druckreif , oft leidenschaftlich und mit hinter der dicken Hornbrille blitzenden Augen.

Der zweimalige polnische Außenminister des demokratischen Polens war als »Gerechter unter den Völkern« Ehrenbürger Israels. Ein ehemaliger Auschwitz-Häftling, der zu den Brückenbauern der Versöhnung mit Deutschland gehörte. Ein Untergrundkämpfer, dessen meist geschätzte Waffe das Wort war. Ein gläubiger Katholik, der den Dialog mit dem Judentum suchte. »Es lohnt sich, anständig zu sein«, lautete ein Motto des 1922 geborenen Bartoszewski. Die Erfahrungen als Auschwitz-Häftling mit der Lagernummer 4427 und in stalinistischen Gefängnissen konnten ihn nicht brechen. In seinem jüngsten Buch schrieb er: »Was bleibt, sind unsere Geschichten. Ihr tätet gut, Schlüsse daraus zu ziehen.« dpa

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