Zwei Trainer gehen in Klausur

Abstiegsknurren: Weder Stuttgarts Huub Stevens noch Freiburgs Christian Streich waren nach dem 2:2 zufrieden

Nach dem turbulenten 2:2 im Baden-Württemberg-Derby bestreiten Huub Stevens und Christian Streich eine merkwürdige Pressekonferenz.

Von Christoph Ruf

Huub Stevens gilt als Kauz, als »Knurrer«, der nur selten gute Laune hat. Es gibt allerdings nicht wenige Menschen, die das für verkürzt halten. Der Mann ist bei Trainerkollegen wie Christian Streich beliebt und soll gegenüber den Spielern weit einfühlsamer sein als Außenstehende das glauben dürften. Ganz sicher aber ist dieser Stevens kein Populist, keiner, der billige Ausreden suchen würde für ein 2:2 nach 2:0-Führung. »Das lag nicht am Schiedsrichter«, sagte er, als er auf die »Schieber«-Rufe der VfB-Fans angesprochen wurde. »Sowohl der Elfmeter als auch die gelb-rote Karte waren berechtigt. Wir sind selbst schuld.«

Tatsächlich konnte Schiedsrichter Wolfgang Stark nichts dafür, dass der VfB eine hochverdiente Pausenführung noch aus der Hand gab. Kurz hintereinander hatten Daniel Ginczek (24.) und Martin Harnik (24.) die Stuttgarter 2:0-Pausenführung herausgeschossen (27.). Und wer sah, wie hilflos der SC verteidigte, wie halbherzig er nach vorne spielte und wie er sich einer weiteren Klatsche in Stuttgart entgegen zitterte, hätte sich vieles vorstellen können - nur nicht, dass das Spiel noch 2:2 enden würde. Doch so kam es. Auch, weil VfB-Verteidiger Adam Hlousek zunächst einen Elfmeter provozierte, den Nils Petersen verwandelte (58.). Und kurz darauf mit Gelb-Rot vom Platz flog (66.). Und weil der VfB über weite Strecken des zweiten Durchgangs so vogelwild verteidigte wie es Freiburg in der ersten Spielhälfte getan hatte, stand es am Ende 2:2.

Nach dem Spiel gab es allerdings immerhin einen Augenzeugen, der von sich behaupten durfte, dass er alles geahnt habe - Huub Stevens zeigte sich »fassungslos«: »Ich habe sogar in der Halbzeit genau davor gewarnt. Aber ich habe gegen eine Wand geredet.« Was er genau gesehen hatte, blieb offen. Stevens verweigerte jede genauere Angabe. Allerdings hatte der VfB gegen Ende des ersten Durchgangs ein wenig lässig gewirkt. Da fehlte in der Chancenverwertung zuweilen die letzte Konsequenz, bei den Ballstafetten in der gegnerischen Hälfte ein wenig die Zielstrebigkeit. Es wirkte, als sei da eine Mannschaft von sich selbst berauscht, die es endlich mal schaffte, ihr Potential auch auf den Platz zu bringen. Denn bei aller notwendigen Einsicht - brav geißelten Spieler wie Martin Harnik (»Wir haben den Gegner aufgebaut«) und Christian Gentner (»Da sind wir selbst schuld«) die eigene Dummheit - hatte der VfB ja tatsächlich 45 Minuten lang einen sehr schönen, hochwertigen Fußball gezeigt. Einen Fußball, mit dem man normalerweise nicht in Abstiegsnöte geraten dürfte.

Bis Petersen in der 85. Spielminute mit seinem sechsten Treffer im achten Spiel für Freiburg das Remis eintütete, durften die VfB-Fans dann auch hoffen, dass sie wenigstens Freiburg einholen würden. Mit 29 Punkten hätte man einen gehörigen Schub im Abstiegskampf bekommen. Den haben nun die Freiburger, die Stuttgart auf Distanz halten konnten und noch gegen Paderborn, Hannover und den HSV spielen müssen.

Umso überraschender, dass es Christian Streich, der Coach der Breisgauer, war, der nach dem Punktgewinn völlig niedergeschlagen bei einer denkwürdigen Pressekonferenz erschien und die Verantwortung für den schwachen ersten Durchgang übernahm: »Ich habe es offenbar nicht geschafft, der Mannschaft Ruhe und Selbstvertrauen und trotzdem die nötige Aggressivität zu vermitteln.« Er sei »maßlos enttäuscht« und müsse nun erst einmal »in Klausur gehen«, ließ er mit tief deprimiertem Blick wissen. Und murmelte beim Herausgehen noch einen letzten Satz: »Wenn man nur eine gute Halbzeit spielt, steigt man ab.«

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