nd-aktuell.de / 28.04.2015 / Kultur / Seite 15

In Trümmern

Eine erhalten gebliebene Säule inmitten von Trümmern - es scheint, die meditierenden Figuren darauf würden sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, nicht einmal durch ein so verheerendes, todbringendes Erdbeben wie das in Nepal am Wochenende. Von der Zerstörung betroffen sind auch Tempel und Paläste, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. So gehörte der 62 Meter hohe Dharahara-Turm, auf dessen Spitze ein Shiva-Schrein thronte, zu den religiösen und touristischen Zentren der Hauptstadt Kathmandu. Jetzt liegt er in Trümmern, unter denen 50 Menschen verschüttet worden sein sollen.

Das nebenstehende Foto entstand im bis zu 2500 Jahre alten Swayambhunath-Tempelkomplex auf einem Hügel im Westen Kathmandus, einer der ältesten buddhistischen Anlagen überhaupt, die aber auch hinduistische Heiligenstätten beherbergt. Der Legende nach war das gesamte Tal von Kathmandu dereinst ein großer See, auf dem eine blaue Lotosblume schwamm. Ein Heiliger aus Tibet habe mit seinem Schwert eine Schneise geschlagen, um das Wasser abfließen zu lassen. Die leuchtende Lotosblume aber habe er auf den Hügel von Swayambhunath gepflanzt. Für die nepalesischen Buddhisten war die Anlage ein Wallfahrtsort und Festplatz, für die Touristen eine Attraktion. Den Beinamen »Affentempel« gab man dem Areal wegen der vielen dort lebenden Affen, die sich nicht zuletzt vom erbettelten (oder frech stibitzten) Proviant der Besucher ernährten.

Die zerstörten und beschädigten Kultstätten waren identitätsstiftende Orte. Sie waren aber auch Gegenstand weltweiten wissenschaftlichen Interesses. Und sie waren als Touristenmagnete ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im armen Nepal. Sie zu retten und zu rekonstruieren ist eine internationale Verpflichtung - gegenüber dem kulturellen Erbe der Menschheit und gegenüber den Lebenden. Ein UNESCO-Sprecher sagte gestern, der Wiederaufbau werde »Jahrzehnte dauern und viel Geld kosten«. nd Foto: dpa/Narendra Shrestha