nd-aktuell.de / 29.04.2015 / Politik / Seite 7

Athen: Die Wunden sind noch nicht geschlossen

Regierungsgedenken an Tod und Widerstand unter der Nazibesatzung / Verweis auf die Verantwortung der Bundesregierung

Anke Stefan, Athen
Am 27. April 1941 besetzten deutsche Truppen die griechische Hauptstadt. 74 Jahre später wurde diesem Datum in Athen mit einer hochrangig besetzten Regierungsveranstaltung gedacht.

Viel länger hätte man nicht warten dürfen. Von dem gut einem Dutzend ehemaliger Widerstandskämpfer gegen die Schergen des »Dritten Reiches«, darunter eine einzige Frau, schafften es die wenigsten noch allein die Stufen zur Bühne im Offizierskasino in Athen hinauf. Dort wurde ihnen von Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou, Verteidigungsminister Panos Kammenos und seinem Vize Kostas Isychos sowie dem stellvertretenden Justizminister Panagiotis Nikoloudis eine Plakette zur Würdigung ihrer Verdienste überreicht. Nicht nur die Geehrten, auch das Publikum aus hochrangigen Vertretern von Politik und Militär, geistlichen Würdenträgern und Abgesandten von über 50 Botschaften war sichtlich gerührt.

Immerhin war es das erste Mal, dass eine griechische Regierung mit einer derartigen Veranstaltung den Opfern der Nazibesatzung in Griechenland, aber auch der dagegen Widerstand Leistenden gedachte. Neben der Auftaktrede der Parlamentspräsidentin, Grußworten verschiedener Minister und Erläuterungen von Historikern wurden Filmdokumente aus der Zeit der Nazibesatzung gezeigt. Untermalt wurde die Veranstaltung von Liedern aus der Kantate »Mauthausen« des großen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis, der damals selbst gekämpft hatte. Doch natürlich sollte am Montagabend in Athen nicht nur der Vergangenheit gedacht, sondern betont werden, dass das Thema »Nazibesatzung« für die derzeitige griechische Regierung nicht erledigt ist.

Davon zeugte schon der Veranstaltungstitel »Die Wunden der Vergangenheit schließen, eine Zukunft ohne Faschismus aufbauen«. Dafür aber, so der gemeinsame Tenor aller Redner und Rednerinnen, ist die Anerkennung der Schuld und der Versuch ihrer Wiedergutmachung unbedingte Voraussetzung. »Damit wir heute frei sind, haben andere ihr Leben gegeben«, bemerkte Zoi Konstantopoulou in ihrer Rede zu Beginn der Veranstaltung. Die gerade von den Feierlichkeiten zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern aus Jerewan zurückgekehrte griechische Parlamentspräsidentin erinnerte an einen zynischen Ausspruch Hitlers Ende der 30er Jahre. Damals hatte der »Führer« bezweifelt, dass man sich noch lange an die Ausrottung der armenischen Bevölkerung erinnern werde. Deswegen, so Konstantopoulou, sei es so wichtig, Kriegsverbrechen zu bestrafen. Denn ein ungesühnter Völkermord führe zum nächsten.

Für die deutsche Regierung ist die Frage nach Reparationen für die Verbrechen der Nationalsozialisten dagegen abschließend geklärt. Geht es nach ihrem Willen, werden die Opfer von 40 000 Hinrichtungen, die Angehörigen der 300 000 Verhungerten, der 63 000 verschleppten und ermordeten griechischen Juden und der ermordeten Einwohner von insgesamt 94 Städten und Dörfern, die bei »Vergeltungsaktionen« dem Erdboden gleich gemacht wurden, keine Gerechtigkeit erfahren. Auch deswegen beklagte Verteidigungsminister Panos Kammenos in seiner Ansprache das Fehlen des deutschen Botschafters, den er persönlich mehrfach um seine Teilnahme ersucht hätte. Immerhin war die deutsche Botschaft durch ein nicht ganz so hochrangiges Mitglied vertreten.

Aber auch ein »Vertreter des anderen Deutschlands« stand am Montagabend am Rednerpult. Für seine Mahnung, es sei Zeichen des moralischen Versagens seines Staates, wenn bis heute keine Entschädigung gezahlt worden sei, wurde der Abgeordnete der LINKEN Wolfgang Gehrcke mit Applaus bedacht. Gehrcke erinnerte daran, dass sich Griechenland, im Gegensatz zum von den Alliierten befreiten Deutschland, selbst von der Geißel des Faschismus befreit hatte. Die Partisanen in allen Ländern, auch in Griechenland, hätten somit auch zur Befreiung seines eigenen Landes beigetragen, erklärte Gehrcke. Dafür sei ihnen Deutschland zu Dank verpflichtet.