nd-aktuell.de / 04.05.2015 / Brandenburg / Seite 12

Exquisit wohnen in der Kaserne

Investor plant 500 Quartiere im alten Heeresbekleidungsamt Bernau

Die Stadt Bernau muss sich um die Straßenerschließung eines neuen Wohngebiets am Schönfelder Weg kümmern. Die Linksfraktion lud zu einem Vor-Ort-Termin.

Auf einem Fensterbrett steht ein verblasstes Porträt von Marschall Dmitri Fjodorowitsch Ustinow, dem einstigen sowjetischen Verteidigungsminister. An den Wänden lehnen kyrillisch beschriftete Wandzeitungen. Ansonsten ist der Raum mit Dämmstoffen und einer Fuhre Ziegelsteinen vollgestellt. Auch nebenan sieht es nicht besser aus. Es liegt Gerümpel herum. Eine Toilette und ein Waschbecken sind noch zu entdecken. Viele Scheiben sind eingeschlagen. Das imposante Gemäuer macht einen verwahrlosten Eindruck. Nur in einem Saal formt sich das Chaos zu einer Ordnung. Hier bereitet der Verein Pankepark Kulturkonvent Bernau eine Ausstellung über das Flüsschen Panke vor, das sich in der Nähe entlangschlängelt. Informationstafeln gruppieren sich um verschiedene Exponate.

»Bitte seid so freundlich und lasst die Dinge so stehen, wie wir sie aufgebaut haben«, steht auf einem Zettel am Eingang zum Saal. Denn die Bernauer Linksfraktion hat interessierte Bürger zu einem Vor-Ort-Termin eingeladen. Bürgermeister André Stahl (LINKE) beantwortet Fragen zur Zukunft des Geländes.

Am Schönfelder Weg 17 in Bernau befand sich einstmals eine Nebenstelle des Heeresbekleidungsamtes der faschistischen Wehrmacht. Acht in der Zeit von 1938 bis 1942 errichtete Gebäude mit zusammen 65 000 Quadratmetern Nutzfläche dienten als Lager für militärische Ausrüstungen. Später nutzten die sowjetischen Truppen das Ensemble als Kaserne. Seit dem Abzug der Soldaten 1994 steht es leer.

Der Kulturkonvent bemüht sich darum, das angrenzende Gelände in eine Parklandschaft zu verwandeln. Diese Idee kann nach Überzeugung von Bürgermeister Stahl sicherlich nur schrittweise verwirklicht werden. Doch darum geht es an diesem Abend nur am Rande. Denn spannend ist, wie die acht Häuser aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden und welche Folgen das für die Anwohner hat. Ein Investor hat den Gebäudekomplex erworben und plant, darin 500 Wohnungen einzurichten. Für zwei Häuser ist eine Mischnutzung vorgesehen, das heißt, es würde dort auch Gewerbe unterkommen.

Die Stadt müsse zunächst mit einem Bebauungsplan die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, erläutert Bürgermeister Stahl. Dabei geht es unter anderem um die Erschließung des Geländes durch eine Wohngebietsstraße. Der Entwurf mit Planzeichnung und Erläuterungen liegt noch bis zum 11. Mai im Rathaus am Marktplatz aus. Montags, mittwochs und donnerstags von 7 bis 16.30 Uhr, dienstags bis 18.30 Uhr und freitags bis 13.30 Uhr kann dort Einsicht in die Unterlagen genommen werden. Vorschläge und Einwände können schriftlich niedergelegt oder mündlich vorgebracht werden.

Sorge bereitet vor allem die Zufahrt. Es gibt bislang nur die eine südliche Zufahrt am Schönfelder Weg. Da im Umfeld noch weiterer Wohnungsneubau geplant ist, würden sich 1000 Autos zusätzlich über die ohnehin stark befahrene Börnicker Chaussee wälzen, rechnet ein Anwohner vor. Unbedingt müsste ein eine zweite Zufahrt her. Doch die angedachte nördliche Anbindung an die Albertshofer Chaussee ist so leicht nicht zu bewerkstelligen. Es gibt Probleme mit den Grundstücken, die dafür durchschnitten werden müssten. Außerdem fragt sich bei einer nördlichen Zufahrt, wer diese überhaupt benutzen würde. Denn die Berufspendler wollen nach Süden, nach Berlin, sie suchen immer den kürzesten Weg zur Autobahn oder zur Landstraße L 200, erinnert der Bürgermeister. Darum ist es zweifelhaft, ob die nördliche Zufahrt wirklich die gewünschte Entlastung bringen würde. An einer Lösung wird noch getüftelt. Der Neubau einer Straße durch die Wiesen der Panke wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Natur. Ein solches Vorhaben würde einen langwierigen Planungsvorlauf erfordern und es wäre unklar, ob man sich am Ende tatsächlich über alle Bedenken hinwegsetzen kann.

»Dass die Verkehrssituation in Bernau insgesamt angespannt ist, steht außer Frage«, bestätigt Stahl. Die S-Bahn wäre eine Alternative zum Auto. Immerhin liegt der Bahnhof Bernau nur etwa zehn Minuten Fußweg von der ehemaligen Kaserne entfernt. Es gibt auch einen Schleichweg durch das Einkaufszentrum Bahnhofspassage.

Die Räume der Kaserne sind sehr hoch. Da sollen Zwischendecken eingezogen werden, so dass anspruchsvolle Wohnungen auf zwei Etagen entstehen. Sie sollen nach Ansage des Investors im Wesentlichen vermietet werden. In welchem Maße auch Eigentumswohnungen verkauft werden, vermag Linksfraktionschefin Dagmar Enkelmann nicht zu sagen. An Sozialwohnungen sei jedenfalls nicht gedacht, weiß sie. Danach ist sie schon mehrmals gefragt worden. Lofts sind aber auch willkommen, denn sie würden ebenfalls helfen, die große Nachfrage nach Wohnungen in der wachsenden Stadt Bernau zu befriedigen. Gesucht werde hier alles, sagt Enkelmann. Billige Wohnungen genauso wie exquisite Quartiere und Einfamilienhäuser.

Der Investor habe bewiesen, dass er ein aufwendiges Projekt stemmen könne, heißt es. In Magdeburg habe er bereits erfolgreich eine Kaserne zu einem Wohngebiet umfunktioniert und auch an der Zwieseler Straße in Berlin-Karlshorst eine alte Turnhalle und eine ehemalige Schwimmhalle der sowjetischen Garnison sehr schön zu Wohnzwecken umgebaut. Davon schwärmt ein Mann, der auf dieser Baustelle gearbeitet hat.

Bürgermeister Stahl macht sich keine Sorgen über Möglichkeiten und Fähigkeiten des Investors. »Ob sein Geld reicht, kann ich natürlich nicht sagen.« Sollte das Projekt aber doch zwischendrin stecken bleiben, dann wäre die Stadt Bernau trotzdem in der Lage, die Wohngebietsstraße zu realisieren. Die bereits eingezogenen neuen Bewohner würden nicht ohne Anbindung bleiben, versichert Stahl.