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Brauner Spuk mit Akzent

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.
Allem öffentlichen Druck in Folge der NSU-Enthüllungen zum Trotz treten Rechtsextreme selbstbewusst auf wie seit Jahren nicht. Am Wochenende zeigte sich das in Thüringen.

Von Freitag bis Sonntag hatten Neonazis in Thüringen zu vier Kundgebungen aufgerufen, zu denen jeweils hunderte Anhänger der Szene kamen. In Weimar hatten Neonazis am Freitagvormittag eine 1.-Mai-Kundgebung des DGB gestört. Etwa 40 Männer und Frauen waren nach Angaben von Augenzeugen plötzlich auf dem Markt aufgetaucht und hatten Besucher und Redner bedrängt. Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider entrissen die Angreifer das Mikrofon. Damit skandierten sie braune Parolen.

Auch sonst kam es auf dem Markt zu Handgreiflichkeiten. Auf Bildern ist zu sehen, wie Rechtsextreme während des Überfalls einem Mann ins Gesicht fassen, während Weimars Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD) versucht, die Männer von ihrem Opfer abzubringen. Nach wenigen Minuten verschwanden die Rechtsextremen so schnell, wie sie gekommen waren. Schneider sagte nach dem Angriff, er fühle sich dadurch an die Attacken der nationalsozialistischen SA erinnert. Die Aktion stelle eine neue Qualität der Gewaltbereitschaft der rechten Szene dar. Die Polizei sprach schließlich davon, bei dem Übergriff seien vier Menschen verletzt worden.

Nach dem Überfall nahm die Polizei in einer Weimarer Tiefgarage insgesamt 22 Männer und fünf Frauen als mutmaßliche Täter fest. Nach ersten Erkenntnissen stammt die Mehrzahl von ihnen aus Sachsen: Sechzehn der Festgenommenen seien in Thüringens Nachbar-Freistaat wohnhaft, hieß es. Nur einer der mutmaßlichen Täter sei Thüringer, die anderen kämen aus Hessen und Brandenburg. Die Gruppe sei mit Autos mit Kennzeichen aus Magdeburg, Görlitz, Dresden und Bautzen unterwegs gewesen. Nach Angaben von Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) wurden bei den Festgenommenen Fahnen und Flyer der »Jungen Nationaldemokraten« - der Jugendorganisation der NPD - gefunden.

Bei den anderen vier - genehmigten - Neonazi-Kundgebungen, darunter zwei in Erfurt und je eine in Saalfeld und Hildburghausen, kam es teilweise ebenfalls zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Gegendemonstranten sowie Demonstranten beider Lager und der Polizei. In Saalfeld sollen mindestens zwei Menschen durch Neonazis schwer verletzt worden sein. Die LINKE-Landtagsabgeordnete Katharina König, die ein Büro in Saalfeld unterhält, twitterte nach dem Aufmarsch: »Krass. Lange nicht mehr so eine gewalttätige Nazidemonstration erlebt.«

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