Neue Punkte, diesmal aus der linken Ecke

Das Gesundheitskonzept der Linkspartei soll Solidarität und Bezahlbarkeit wiederherstellen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie heißen ebenfalls Eckpunkte, die Ideen der Linkspartei zu einer nachhaltigen Gesundheitsreform. Mit denen der Regierung, die in diesen Tagen von Freund und Feind verrissen werden, haben sie nicht viel gemein. Gestern wurden die Punkte aus der linken Ecke in Berlin vorgestellt.
Während die Reformpläne der Koalition sich gerade zu einem furiosen Scheitern anschicken, ziehen die Linken im Bundestag dank ihres Beraters Ellis Huber, früherer Ärztekammerpräsident und Krankenkassenvorstand, ein solidarisches, nachhaltiges Gesundheitsprogramm aus dem Ärmel. Sei es nun Zufall oder nicht - der Zeitpunkt ist geeignet, damit Gehör zu finden. Drei Viertel der Bevölkerung lehnen die Regierungseckpunkte ab und auch in der Politik will sie kaum noch jemand haben. Ginge es nach der Linkspartei, käme die Bürgerversicherung. Jeder Mensch zahlte »einen Zehnten der Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe«, so Ellis Huber. Die zehn Prozent auf alle Einkünfte hätten perspektivisch keine Beitragsbemessungsgrenze und es gäbe dann auch keine Private Krankenversicherung mehr, in die Spitzenverdiener ausweichen könnten. Mit dem eingenommenen Geld könnte man eine ganz ordentliche Versorgung gewährleisten, meint der Eckpunkte-Autor. Beispiele von Versorgungskonzepten einzelner deutscher Krankenkassen wie der Bundesknappschaft oder aus der Schweiz würde belegen, dass man bis zu einem Viertel der Kosten einsparen könnte. Zwar seien die Bedürfnisse kranker Menschen unendlich, aber ein demokratisch legitimiertes fachkundiges Gremium könne diese Bedürfnisse vom tatsächlichen Bedarf abgrenzen. Alle Versicherten erhielten die Leistungen der heutigen gesetzlichen Krankenkassen, könnten aber Zusatzversicherungen für ihre speziellen Bedürfnisse abschließen. Alle Krankenkassen müssten ein uneingeschränktes Aufnahmerecht gewähren und dürften Versicherungswillige nicht diskriminieren. Auf der anderen Seite erhielten sie einen krankheitsbezogenen Zuschlag aus dem Risikofonds. Bei der Steuerung des Gesundheitssystems vertraut die Linksfraktion Spitzenverbänden für Kassen und Ärzte auf Bundes- und Landesebene. Sie stellt sich eine starke Selbstverwaltung vor, die für integrierte Versorgungsmodelle und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen und Einrichtungen im Gesundheitswesen zur preiswerten und qualitätsvollen Versorgung der Patienten kämpft. In dem System würden »Ärzte nicht kontrolliert und gedemütigt«. Die Misstrauenskultur zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen muss Huber zufolge durch eine Kultur des Vertrauens ersetzt werden, wenn man den Erfolg der integrierten Versorgung wünsche. In Unternehmen der Wirtschaft wäre das schließlich auch möglich. Seines Wissens gebe es viele Ärzte und auch viele Abgeordnete, die sich sozialen Prinzipien verpflichtet fühlen und sich mit einem Konzept der Bürgerversicherung anfreunden könnten. Nur eine Minderheit der Bundestagsmitglieder störe sich hingegen an den Privilegien von Apothekern und Pharmaherstellern. Die jetzige Bundesregierung zeichne sich durch eine marionettenhafte Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen aus und dies sei auch der Grund für die Verschiebung der Gesundheitsreform. Die Linkspartei wertet die Konflikte um die Gesundheitsreform als Zeichen der Hilflosigkeit der Großen Koalition. »Die Schriftsteller der Eckpunkte hatten keine Ahnung von den wirklichen Problemen«, glaubt der gesundheitspolitische Sprecher Frank Spieth. Er sieht die Koalition außer Stande, ein schlüssiges Konzept für eine solidarische Krankenversicherung vorzulegen. Spätestens seit den 90er Jahren, heißt es in den linken Eckpunkten, stellte die Ökonomisierung der Gesundheitspolitik die Grundlagen des solidarischen und sozialen Systems infrage. Die von der Regierung geplanten Umstrukturierungen zielen darauf ab, das System privaten Anbietern und Kapitalmärkten zu öffnen. Umverteilungen sollen zu Lasten von Beschäftigten, Einkommensschwachen und Kranken vorgenommen werden und das Gesundheitssystem soll sich an den Wettbewerbsinteressen der Wirtschaft ausrichten. Die Linkspartei will die Gesetzliche Krankenversicherung nicht opfern, sondern sie auf neuer Basis aufbauen. Die Finanzierung soll ergiebiger und gerechter gemacht werden, der versicherte Personenkreis und die Einnahmebasis sollen ausgeweitet werden. So erreiche man gesamtgesellschaftliche Solidarität auf einer stabilen Finanzierungsbasis. Auf einer Gesundheitskonferenz am 6. Oktober will die Linkspartei unter dem Titel »Gesunde Republik Deutschland« die Reformvorschläge mit namhaften Experten kritisch reflektieren und überprüfen.
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