Mehr Züge als geplant unterwegs

Streik kostet S-Bahn eine Million Euro täglich

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Den ersten Streiktag haben die Fahrgäste gut verkraftet. Der Ansturm auf die BVG war geringer als erwartet.

Die gute Nachricht: Am ersten Tag des Marathonstreiks der Lokführergewerkschaft GDL ist das große Chaos im Berliner Nahverkehr ausgeblieben. Die schlechte: Bis zum kommenden Sonntag müssen die Fahrgäste noch mit gravierenden Einschränkungen klar kommen, und auch danach sind weitere Streiks nicht ausgeschlossen.

Wie schon beim vorangegangenen Ausstand vor zwei Wochen ist es der S-Bahn am Montag wieder gelungen, mehr Züge einzusetzen und einzelne Linien zu verlängern. So setzte die Linie S 7 bereits in Ahrensfelde und nicht erst in Marzahn ein und fuhr bis Charlottenburg statt nur bis Alexanderplatz. Auch die Linie S 5 aus Strausberg wurde über den Alexanderplatz hinaus bis Friedrichstraße verlängert. Es seien wieder mehr Lokführer zum Dienst erschienen als erwartet, hieß es bei der S-Bahn. Statt 30 konnte 35 Prozent des regulären Angebots aufrechterhalten werden.

Die Züge seien auch besser besetzt gewesen als bei der letzten Streikrunde. »Die Leute können unserem Ersatzfahrplan vertrauen, was da drin steht, fahren wir auch«, so ein S-Bahn-Sprecher. Es laufe auch alles sehr entspannt. »Es scheint, als hätten unsere Fahrgäste schon eine gewisse Routine im Umgang mit der unerfreulichen Situation.«

Gefahren wird besonders auf den Verbindungen ins Umland und in Bereichen, wo wenig Ausweichmöglichkeiten etwa zur BVG bestehen. In der Regel wird ein 20- Minuten-Takt angeboten. Die ansonsten gut ausgelasteten Ringbahnlinien S 41 und S 42 verkehren nicht, ebenso die Linien S 25, S 45, S 47, S 75, S 8 und S 85. Die S 9 ist nur zwischen Flughafen Schönefeld und Landsberger Allee unterwegs, so dass auf dem östlichen Ring zwischen Landsberger Allee und Bornholmer Straße keine S-Bahnen unterwegs sind, ebenso auf dem westlichen zwischen Gesundbrunnen und Schöneberg.

Ob der Notfahrplan auch für die kommenden Streiktage gilt, hänge von der Streikbereitschaft der GDL-Mitglieder ab, so die Bahn. Jeder Schichtwechsel könne die Situation verändern. Das Unternehmen rät dringend, sich vor Fahrtantritt zu informieren (www.s-bahn-berlin.de oder auch auf der kostenlosen Streik-Hotline 08000 99 66 33). »Was wir kommunizieren, fahren wir auch«, hieß es.

Fest steht, dass der Streik für die S-Bahn mittlerweile richtig teuer wird, das Unternehmen rechnet mit Streikkosten von einer Million Euro täglich. Darunter fallen vor allem die ausgebliebenen Fahrgeldeinnahmen als auch der erhöhte Personalaufwandwand etwa durch den Einsatz von 21 Bussen, die auf vier Umlandverbindungen, so zwischen Teltow Stadt und Südende, Ersatzverkehr fahren. Und der Senat verlangt für alle ausgefallenen Züge Strafzahlungen.

Im Regionalverkehr konnten nur etwa 15 Prozent der regulären Fahrten stattfinden, im Fernverkehr 30 Prozent. Auf der Achse über Hannover habe es kaum Ausfälle gegeben, so die Bahn. Auf dieser Strecke konnte sogar ein Stundentakt aufrechterhalten werden, auf anderen wichtigen Relationen ein Zwei-Stunden-Takt. Für gestrandete Reisende hat die Bahn im Hauptbahnhof wieder einen ICE als Hotelzug geparkt.

Auch bei der BVG war der Ansturm weniger dramatisch als erwartet. »Es war zwar deutlich voller als an normalen Tagen, aber nicht so schlimm wie vor zwei Wochen«, sagte Sprecherin Petra Reetz. Damals hatten die Busse und Bahnen der BVG etwa 70 Prozent mehr Fahrgäste, diesmal schätzt das Unternehmen den Zuwachs auf 40 bis 50 Prozent. Bei den U-Bahnen habe es wegen des Andrangs Verspätungen von nur wenigen Minuten gegeben, bei Bussen konnten es schon mal 30 werden. Bei U- und Straßenbahnen setzte die BVG längere Züge ein. »Wir fahren alles, was fahren kann«, so Reetz.

Viele S-Bahn-Fahrer sind offensichtlich aufs Auto umgestiegen. Auf den Straßen bildeten sich vor allem im Frühberufsverkehr lange Staus, auf der Stadtautobahn mussten Zufahrten zeitweilig gesperrt werden. Ganz dicke kam es an der Kreuzung Prenzlauer Allee, Tor- und Karl-Liebknecht-Straße, wo am Morgen auch noch die Ampeln ausfielen. Selbst der ADAC rät, nach Möglichkeit aufs Fahrrad umzusteigen.

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