Den Großstadtfüchsen auf der Spur

Berliner sollen bei Datensammlung zu den Wildtieren helfen. Ab Herbst plant Institut Doktorarbeit mit Material

  • Anja Sokolow und Annett Stein
  • Lesedauer: 3 Min.
Furchtlose Füchse gehören in Berlin mittlerweile zum Stadtbild. Doch wie viele von ihnen gibt es? Und wie kommen sie in der Stadt zurecht? Forscher wollen das herausfinden.

Verkehrslärm und Menschenmassen scheinen ihnen nichts anzuhaben: Immer wieder beobachten Berliner Füchse, die ohne Scheu auf Straßen, an S-Bahngleisen oder auch schon mal über den Alexanderplatz spazieren. Jetzt rücken die Tiere in den Fokus der Wissenschaft. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) startet mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg das Projekt »Füchse in der Stadt«, an dem sich auch möglichst viele Berliner und Brandenburger aus dem Umland als Bürgerwissenschaftler beteiligen sollen. »Wir haben bis heute keine Erklärung dafür, warum bestimmte Tierarten in der Stadt sehr gut zurechtkommen und andere nicht«, sagt IZW-Direktor Professor Heribert Hofer. Berlin sei kein Einzelfall. Auch in anderen Städten fühlten sich Füchse wohl.

Berliner und Brandenburger sind jetzt aufgerufen, ihre Beobachtungen auf der interaktiven rbb-Internetseite »Füchse in der Stadt« zu melden. Gefragt sind dort auch Bilder, Videos und Fuchs-Geschichten. Zudem sind eine Fuchslandkarte und Videos aus Webcams an Fuchsbauen zu finden. Ab Herbst sei mithilfe der gesammelten Daten am IZW dann eine Doktorarbeit geplant, in der es um Gesundheit, Fortpflanzung und den Lebensraum der Füchse geht.

»Wie viele Füchse in Berlin leben oder wie sich ihr Bestand entwickelt, ist äußerst schwierig zu beurteilen«, sagt der Wissenschaftler. Zu gering seien bisherige Stichproben und zu ungenau Schätzungen. Hier setze das neue Projekt an. Mit der Hilfe von vielen Hunderten Bürgerwissenschaftlern könne eine Menge an Daten gesammelt werden, die für einen einzelnen Forscher ein »Ding der Unmöglichkeit« wäre. Über Füchse in der Großstadt sei zuerst in den 1970er Jahren in Großbritannien geforscht worden, berichtet Hofer. Doch die Forschungsmethoden böten heute viel mehr Möglichkeiten.

Beteiligt an dem seinen Angaben zufolge in Deutschland einzigartigen Projekt sind auch andere Partner, etwa der Naturschutzbund (NABU). Dort können Berliner sich schon seit gut einem Jahr zu Fragen rund um Füchse, Wildschweine und Co. melden. Und das tun sie rege: Katrin Koch bekommt am Wildtiertelefon täglich Anrufe von Großstädtern, die sich über das Verhalten von Füchsen wundern. Manche Leute wüssten nicht, was sie tun sollen, wenn ein Fuchs einfach stehen bleibe und sie anschaue, sagt Koch.

»Andere fürchten sich vor Krankheiten, die die Tiere übertragen können«, berichtet die Umweltschützerin. Gefürchtet ist der Fuchs vor allem als Überträger des Fuchsbandwurms. Eine Infektion verlief beim Menschen noch vor einigen Jahrzehnten fast immer tödlich. Heute gibt es Medikamente, die jedoch oft starke Nebenwirkungen haben. »Der Fuchsbandwurm ist der gefährlichste Wurmparasit in Deutschland«, sagt Prof. Klaus Brehm von der Universität Würzburg. »Die Infektionszahlen bundesweit steigen.« Beim zuständigen Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin wurden im vergangenen Jahr 36 Neuinfektionen der sogenannten Echinokokkose erfasst, 25 davon allein aus Bayern und Baden-Württemberg. In der Hauptstadt sei der Erreger in den vergangenen 13 Jahren kein einziges Mal bei einem Fuchs nachgewiesen worden, berichtet Derk Ehlert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Im umliegenden Brandenburg sehe das anders aus. »Wir wissen nicht, warum Berlin nicht betroffen ist«, so der Wildtierexperte. Ein möglicher Grund: »Die Füchse in der Hauptstadt fressen kaum Feldmäuse.« Die Nager sind wichtige Zwischenwirte für den Bandwurm. dpa

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