Vorsicht, braune Bio-Birnen!

Immer mehr rechte Siedler lassen sich im Nordosten nieder - nicht selten als Öko-Bauern

  • Lesedauer: 3 Min.
Nirgends siedeln so viele Neonazis wie in Mecklenburg-Vorpommern, schreibt die Extremismus-Expertin Andrea Röpke in ihrem neuen Buch »Gefährlich verankert«. Sie gäben sich einen bürgerlichen Anstrich.

Schwerin. Die Frauen laufen in langen Röcken herum, die Männer in Zimmermannshosen, sie machen in Öko-Landbau und pflegen hinter einer Aussteigerfassade rechtsradikales Gedankengut - braune Siedler haben nach Recherchen der Autorin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke Mecklenburg-Vorpommern zu ihrem bevorzugten Ziel gemacht.

»Nirgends siedeln so viele Neonazis wie in Mecklenburg-Vorpommern«, schreibt Röpke in ihrem neuen Buch »Gefährlich verankert«, das sie im Auftrag der Schweriner SPD-Landtagsfraktion geschrieben hat und das in der vergangenen Woche im Beisein von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) in der Landeshauptstadt vorgestellt wurde. Dazu gehörten Mitglieder der Arier-Sekte »Artgemeinschaft«, die Bewegung der »Neo-Artamanen«, NPD-Anhänger aus den Ballungsgebieten oder auch völkische Rechte, die die eigene Scholle bewirtschaften wollten.

Das Klischee vom Skinhead mit Springerstiefel passe zunehmend nicht mehr, so Röpke. »Organisierte Menschen mit rassistischem Weltbild tarnen sich durch Normalität innerhalb einer Gesellschaft voller Alltagsressentiments«, schreibt sie. NPD-Politiker trügen heute gut sitzende Anzüge, viele rechte Frauen moderne Piercings oder traditionelle Zopffrisuren. Ihre Kinder besuchten Waldorf-Kindergärten, die Eltern kauften Bio-Lebensmittel. Die Organisationsstrukturen befänden sich im Wandel von Parteien über Kameradschaftszusammenhänge bis hin zu Bruderschaften. Zunehmend entstünden nebulöse Strukturen, die schwer zu durchschauen seien. Moderne Neonazis fänden sich auch zunehmend im Rocker- und Rotlichtmilieu wieder.

Ein Zentrum brauner Siedler sei der Raum Güstrow, wo bereits 2007 von über einem Dutzend »nationaler Familien« mit etwa 60 Kindern ausgegangen worden sei. »Inzwischen dürfte die Zahl um einiges angestiegen sein«, schreibt Röpke. Für Schlagzeilen sorgte 2010 der damalige Bürgermeister des Ortes Lalendorf bei Güstrow, Reinhard Knaack, der sich weigerte, einer mutmaßlich rechtsradikalen Familie die Patenschaftsurkunde des Bundespräsidenten für ihr siebentes Kind zu überreichen.

Ansiedlungen von Anhängern der rassistischen »Artgemeinschaft« gibt es der Autorin Röpke zufolge auch bei Ludwigslust, Bad Doberan, Grevesmühlen und in der Region Ostvorpommern.

Dem Verfassungsschutz wirft Röpke vor, die Entwicklung seit Jahren zu verharmlosen. Dabei expandiere die Idee des gemeinsamen Siedelns weiterhin. Bewegungen wie der rassistische »Bund für Gotterkenntnis«, auch »Ludendorffer« genannt, oder »SturM-Vogel« seien aktiv und kauften Immobilien etwa in Nordwestmecklenburg und im Raum Bad Doberan.

Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) wies die Vorwürfe zurück, der Verfassungsschutz verharmlose die Entwicklung: »Die Sicherheitsbehörden unseres Landes sollten nicht leichtfertig diskreditiert werden«, sagte er. »Ohne die Arbeit des Verfassungsschutzes wären wir beim NPD-Verbotsverfahren nie so weit gekommen.« Der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Nieszery sagte, mit dem Buch solle keine Panik verbreitet werden. Dem rechtsextremen Treiben stünden starke bürgerschaftliche, politische und staatliche Strukturen gegenüber. »Als größte Fraktion im Schweriner Landtag sehen wir es aber als unsere Pflicht an, auf diese gefährlichen Entwicklungen hinzuweisen, Belege zu liefern, Verbindungen aufzuzeigen und vor rassistischen Biedermännern und -frauen zu warnen, die zu Brandstiftern werden.«

Die aus Schwerin stammende Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte, die Autorin Andrea Röpke zeige mit ihrem Buch, dass die Gesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremnisten wachsamer denn je sein müsse. Sie verwies auf das neue Bundesprogramm »Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit« mit einer jährlichen Fördersumme von zunächst 30,5 Millionen Euro. dpa/nd

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