nd-aktuell.de / 09.05.2015 / Kommentare / Seite 2

Türkischer Querkopf

PERSONALIE

Christian Klemm

In der Linksfraktion im Bundestag ist es Konsens, dass vor 100 Jahren in der Türkei ein Völkermord an den Armeniern verübt wurde. So sieht das auch die große Mehrheit der Historiker - von denen am Bosporus einmal abgesehen. Der 1943 in der Türkei geborene Hakki Keskin hat den Vorwurf des Genozids auch zurückgewiesen. Dafür musste er von den eigenen Genossen reichlich Prügel einstecken. Keskin saß von 2005 bis 2009 für die LINKE im Bundestag. Davor war er Mitglied der SPD, die er wegen der Politik von Kanzler Gerhard Schröder verließ. Jetzt hat sich der früher als Professor für Migrationspolitik tätige Politiker der Vatan Partisi angeschlossen. Das sorgt in Deutschland für Aufregung, denn der Heimatpartei wird unterstellt, sich von einer ursprünglich sozialistischen zu einer rechtsoffenen Organisation gewandelt zu haben. »Querfront auf Türkisch« hieß es dazu in einer Berliner Tageszeitung.

Für Keskin dagegen stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar, wie er im Gespräch mit »nd« deutlich machte. Vatan Partisi habe ein antiimperialistisches Profil und räume der türkischen Unabhängigkeit hohe Priorität ein. Außerdem sei der Laizismus des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk ein Pfeiler von Vatan Partisi, die sich bis Jahresanfang noch İşçi Partisi (Arbeiterpartei) nannte. Ähnliche Positionen finden sich auch in der LINKEN. In zwei Punkten lägen die beiden Parteien, so Keskin weiter, jedoch auseinander: in der Armenierfrage und in der Beurteilung der kurdischen Arbeiterpartei. Ein Teil der Linkspartei unterstützt die PKK in ihrem Kampf gegen die Regierung in Ankara. Das tut Vatan Partisi nicht.

Die Auseinandersetzung in der LINKEN mit den Positionen von Keskin, der zehn Jahre lang Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland war, dürfte indes weitergehen. Denn der Querkopf will zahlendes Mitglied der Partei bleiben. Vermutlich wird er am 24. April nächsten Jahres wieder von sich hören lassen. Dann nämlich wird wieder an die Vertreibung der Armenier im Osmanischen Reich erinnert.