nd-aktuell.de / 11.05.2015 / Brandenburg / Seite 12

Eine schwarze Null geht nicht wählen

Protest gegen Kürzungen der Stadt Frankfurt (Oder) im Sozialbereich

Henry-Martin Klemt
Angesichts eines Schuldenbergs von 100 Millionen Euro muss die Stadt Frankfurt (Oder) sparen. Aber muss sie wirklich so radikal im Sozialbereich kürzen?

Haushaltssatzung und Haushaltssicherungskonzept für die Stadt Frankfurt (Oder) mit ihrem kumulierten Schuldenberg von mehr als 100 Millionen Euro sollen am Dienstag beschlossen werden. Eigentlich sollte die Entscheidung darüber bereits am vergangenen Donnerstag fallen.

Aber die Kürzungspläne der Stadtverwaltung mit dem Ziel, das strukturelle Defizit abzubauen und im Jahr 2018 eine »schwarze Null« zu erreichen, spalten auch die Stadtverordnetenversammlung und wecken zunehmend auch den Widerstand der Betroffenen. Vor dem Kleist-Forum, derzeit Tagungsort der Stadtverordnetenversammlung, demonstrierten am vergangenen Donnerstag unter dem Motto »Die schwarze Null stinkt« 300 Beschäftigte des Sozialbereiches. Sie waren einem Aufruf der Liga der Wohlfahrtsverbände gefolgt und wollten nicht nur ihrem Unmut Luft machen, sondern auch mit den Stadtverordneten sprechen. Doch viele Stadtverordnete schlichen sich am Spalier der entrüsteten Menschen vorbei, und Oberbürgermeister Martin Wilke (parteilos) zog es vor, den Personaleingang zu benutzen.

»23 Maßnahmen sieht das Haushaltssicherungskonzept vor. Vier davon betreffen pauschale Kürzungen, darunter im Sozialbereich. Hier aber sind pauschale Kürzungen nicht möglich«, sagt Peggy Zipfel als Sprecherin der Liga der Wohlfahrtsverbände. Zu dieser Liga gehören fünf Verbände mit insgesamt 1500 Mitarbeitern. Besonders kritisiert Zipfel, dass die Qualität der Sozialarbeit und ihrer jeweiligen Träger bei den Kürzungsplänen gar nicht Gegenstand der Debatte gewesen sei. »Wir haben Hilfe und Unterstützung bei der Haushaltsaufstellung angeboten, haben uns bereit erklärt, in den Fraktionen zu sprechen«, sagt Zipfel. »Ich appelliere an die Stadtverordneten: Nehmen Sie uns ernst! Sprechen Sie mit uns!«

Sarah Linder aus der Klasse FSPV 12c des Oberstufenzentrums »Konrad Wachsmann« kam mit ihren Mitschülerinnen auf den Platz. Als angehende Erzieherin fühlt sie sich besonders betroffen. »Wir sollen die Zukunft von Frankfurt (Oder) sein, aber die Stadt macht immer weniger für uns. Ich will, dass die Stadt mehr für das Soziale tut.«

Katrin Stoll-Hellert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband erklärt unverblümt: »Die Stadtverordneten sollten nicht vergessen: Eine schwarze Null geht nicht wählen. Wir schon.«

Auch Sozialdezernent Jens-Marcel Ullrich (SPD) bekennt sich zum Anliegen der Demonstranten. »Ich bin stolz auf alle, die hier sind«, sagt der Sozialdemokrat. »Wir werden Kürzungen vornehmen müssen, aber nicht pauschal, sondern mit Augenmaß. Wenn die Folgekosten von Einsparungen höher sind als die Einsparungen selbst, haben wir nichts gekonnt. Wir brauchen effiziente Lösungen und die Liga der Wohlfahrtsverbände soll sich in diesen Prozess einbringen.«

Linksfraktionschef René Wilke erklärt: »Wir stehen an der Seite der Sozialverbände und werden dem Haushalt nur unter der Bedingung zustimmen, dass die pauschalen Kürzungen im Sozialbereich vorher herausgestrichen werden.«