Feng Shui gegen die fahle Fratze des Mönchs

Friedberger Bürgermeister weckt mit Auftrag zu einem Gutachten über das ansässige Wittelsbacher Schloss den Unmut lokaler Politiker

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Stadt Friedberg nahe Augsburg hat 29 000 Einwohner, ein Schloss aus dem 13. Jahrhundert und seit kurzem Ärger wegen der asiatischen Harmonielehre Feng Shui.

Friedbergs Bürgermeister Roland Eichmann (SPD) hat für 5000 Euro ein Feng Shui-Gutachten in Auftrag gegeben. Damit soll das der Kommune gehörende Wittelsbacher Schloss auf negative Schwingungen hin untersucht werden. Das alte Gemäuer wird demnächst zu einem Kulturzentrum umgebaut. Dazu gibt es im Stadtrat einen eigenen Schlossausschuss und der fühlt sich jetzt übergangen. Claudia Eser-Schubert, Fraktionsvorsitzende der Grünen, spricht gar von »Humbug«.

Um das Schloss der Wittelsbacher ranken sich einige Sagen: In den Mauern des Turms soll ein Mönch lebendig eingemauert sein, der nachts mit fahler Fratze herumgeistere. Die Kellertreppe führe in Vollmondnächten zu sagenhaften Schätzen, nur überlebt habe die Suche noch niemand. Dann ist da noch die kriegerische Vergangenheit, als die Burg eine Grenzbefestigung der Wittelsbacher gegen die Freie Reichsstadt Augsburg war. Gehen von diesen Ereignissen schlechte Schwingungen aus, die für Streit um die Nutzung des Gebäudes sorgen?

Vor acht Jahren hatte die Stadt das Schloss dem Freistaat für rund 100 000 Euro abgekauft, man wollte ein attraktives Bürger- und Kulturzentrum errichten. Doch das 20-Millionen-Projekt sorgte alsbald für Zwist bei den Friedbergern. Es gab sogar einen Bürgerentscheid, der den Ausbau verhindern sollte, doch die erforderliche Wahlbeteiligung wurde verfehlt. So kam es im März zum offiziellen Baubeginn. Bürgermeister Eichmann hatte davon gesprochen, dass die kriegerische Vergangenheit des Gebäudes womöglich auch die schwierige Diskussion um die künftige Nutzung geprägt habe. Und er fügte mit einem Augenzwinkern hinzu, auch sein Hund Ares - benannt nach einem Kriegsgott - werde im Schloss immer sehr unruhig.

Was die Lokalpresse zum Anlass nahm, die geplante Feng-Shui-Beratung in einen Zusammenhang mit der Unruhe des Haustiers zu stellen. Damit aber erfuhren die Stadträte von der 5000-Euro-Investition und murrten. Zwar sei eine Vergabe in dieser Höhe durch den Bürgermeister völlig rechtens, aber man wäre schon gerne informiert gewesen. Würde doch im Schlossausschuss selbst das kleinste Detail diskutiert. »Man hätte es uns sagen können, nachdem man gewusst hat, dass dies einiges an Aufsehen erregen wird«, meinte etwa SPD-Stadtrat Roland Fuchs, sah aber auch das Positive: »Wenn der Hund hernach ruhiger wird ...«

Das Aufsehen jedenfalls war da. »Geheimes Feng-Shui: der Stadtrat war nicht eingeweiht«, verbreitete der Bayerische Rundfunk. Spott und Häme im Internet - dort waren Kommentare zu lesen wie: »Das kann der Bürgermeister aber aus eigener Tasche bezahlen. Oder ein Tier opfern oder so.«

Bürgermeister Eichmann hat mittlerweile jeden Zusammenhang zwischen Hund und Feng-Shui-Auftrag zurückgewiesen. Die Beraterin sei von sich aus auf die Stadt zugekommen und habe Empfehlungen professioneller Immobilienunternehmen vorgelegt. Danach sei es so gelungen, auch schwierige Objekte zu vermarkten. Deshalb habe er den Vertrag unterschrieben. Auf der Website der Beraterin ist zu lesen: »Die energetische Ursachenanalyse hilft Ihnen dabei, frühzeitig positive wie auch negative Schwingungen von Bauplatz, Neubau oder Altbau zu erkennen, die anhaftende Geschichte zu lesen und bestehende Kräfte zu nutzen beziehungsweise in Harmonie zu wandeln.«

Und der Bürgermeister, der persönlich selbst wenig mit Feng Shui zu tun hat, verweist auch auf das Kreiskrankenhaus Aichach-Friedberg, das vor Jahren eine Feng-Shui-Beraterin engagierte. Die legte damals ein so überzeugendes Konzept vor, dass der Landkreis den Auftrag auch »auf die Gestaltung der Wöchnerinnenzimmer, der Notaufnahme und der Außenanlagen ausdehnte«.

»Das ist doch mittlerweile gang und gäbe, dass Unternehmen wie die Bank of China oder BMW ihre Gebäude nach Feng Shui ausrichten«, sagt Inge Mollenhauer. Sie betreibt eine Feng-Shui-Schule, hat lange in Friedberg gewohnt und kennt das Schloss. Unter den Soldaten sei es einst sicherlich nicht nur zierlich und zärtlich zugegangen, es gebe schon dieses geistige Element. Feng Shui sei ja nichts anderes als die »Lehre der mathematischen und physikalischen Kräfte der Welt«, wie Wasser zum Beispiel. Und diese feinen Kräfte gelte es ernst zu nehmen: »Es geht um Fragen der Beleuchtung, der Raummaße, der Farben, wo setze ich eine Tür, wo ein Fenster.« Dies habe viel mit Architektur und Innenarchitektur zu tun, nur eben unter Anwendung des Feng-Shui-Systems. Und die Höhe des Honorars von 5000 Euro? »Ich halte das für ein ganzes Schloss für sehr wenig«, so die Feng-Shui-Lehrerin.

Für Grünen-Stadträtin Claudia Eser-Schubert sind das alles keine Argumente. »Das ist ein denkmalgeschütztes Gebäude«, gibt sie zu bedenken, von der Behörde sei alles vorgegeben, bis hin zur Farbe. Die Auflagen seien sehr streng. Feng Shui hin oder her, wenn man nichts verändern könne, mache das alles keinen Sinn. Sie hat jetzt einen Antrag gestellt, der die Hintergründe des Auftrags aufklären soll.

Klar ist, die von der Stadt engagierte Feng-Shui-Beraterin wird im Laufe des Jahres ihren Bericht abgeben. Bürgermeister Eichmann hat sich mittlerweile auch gegen den Vorwurf zur Wehr gesetzt, er habe den Schlossausschuss übergangen: »Wir haben auch nicht über die Umsiedlung der Fledermäuse informiert, obwohl das mehr kostet.«

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