Turmbau zu Rottweil

Älteste Stadt Baden-Württembergs hofft auf neues Image durch technisches Projekt

  • Marco Krefting, Rottweil
  • Lesedauer: 3 Min.
Um 3,60 Meter am Tag wächst in Rottweil ein Testturm für Aufzüge in den Himmel. Am Ende soll zugleich Deutschlands höchste Aussichtsplattform entstanden sein.

Neugierig spähen Leute durch die Absperrgitter: Schon jetzt ist der Aufzugtestturm eine Sehenswürdigkeit. Gut 30 Meter ragen aus der Erde, das ist schon imposant. Doch der Koloss wird noch siebenmal so groß. In der am Ende 246 Meter hohen Konstruktion will der Konzern ThyssenKrupp Aufzüge testen. Für Rottweil, die älteste Stadt Baden-Württembergs ist das Bauprojekt Herausforderung und Hoffnung zugleich.

»Mit der Diskussion um den Turm hat sich die Stadt geöffnet«, sagt der Projektbeauftragte von ThyssenKrupp, Alfons Bürk. Als Architekt und Einheimischer hat er vermittelt. Denn einige Bürger waren anfangs skeptisch. Der riesige Turm, der alle Bauten in der alten Reichsstadt überragen wird, könnte das Stadtbild verschandeln, war ihre Befürchtung. Zudem war er ursprünglich im Tal geplant, auf fragwürdigem Boden. Über den Sommer wurde der Wechsel in ein Industriegebiet auf einem Berg über der Stadt geplant.

Mehr als 20 Meter Durchmesser hat die Betonsäule, die täglich 3,60 Meter in die Höhe wächst. Auf dem Boden im Inneren - nochmal gut 30 Meter unter der Erde - sehen die kahlen Wände grau, glatt und einschüchternd aus. Durch kleine Aussparungen für Fenster und technische Anschlüsse fällt genug Licht, um sich zurechtzufinden. Neben den runden Außenwänden haben die Bauarbeiter im Inneren die rohen Wände für zwölf Aufzugschächte direkt mit in die Höhe gezogen.

»Das sind schon Dimensionen, die hat man nur einmal im Leben«, sagt Kai Hörsting, Bauleiter von Züblin. Zwischenzeitlich müssen bis zu 500 Tonnen Stahl derart auf der Baustelle gelagert werden, dass sie später punktgenau verbaut werden können. Auf einer sogenannten Gleitplattform an der Spitze des Turms wird frischer Beton gegossen. Sie verläuft wie ein Kranz um das obere Ende des Rohbaus herum. Die Bauleute arbeiten in drei Schichten, rund um die Uhr. Dank einer mobilen Klokabine brauchen sie nicht runter auf die Erde. Alle paar Minuten wird die Plattform angehoben - zu groß sei die Gefahr, dass das Konstrukt sonst am frischen Beton festklebt, sagt Hörsting.

Die Rathausspitze ist schon jetzt vom Turm begeistert. Für Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos) zeigt das Projekt, wie innovativ die 24 500-Einwohner-Stadt ist: »Rottweil rückt als Wirtschaftsstandort in den Fokus.« Es gebe schon Pläne für folgende Investitionen und Ansiedlungen - noch nicht spruchreif und daher schwer zu beziffern.

Zudem setzt die Stadt auf den Marketingeffekt. Broß wirbt mit der höchsten Besucherplattform Deutschlands, die in 232 Metern entstehen soll. Zum Vergleich: Der Stuttgarter Fernsehturm ist 216 Meter hoch, die Besucherplattform liegt auf 150 Metern Höhe. Und beim 368 Meter hohen Berliner Fernsehturm haben Besucher Aussicht auf 203 und 207 Metern. Da die Rottweiler Kulisse schon jetzt von Hochturm, Kapellenturm und Wasserturm lebt, richtet sich das Stadtmarketing nun voll und ganz auf das Motto »Rottweil - Stadt der Türme«.

Gerade vor dieser Abhängigkeit warnt Ute Bott von der Initiative »Landschaft schützen - Stadtbild retten!«. »Die Wirtschaftsförderung ist ganz darauf ausgerichtet. Wie kann man sich einem Konzern so unterwerfen?« Der Projektbeauftragte Bürk meint: »Wir werden 100 Prozent Zustimmung nicht schaffen, aber annähernd.« Es laufe besser als andere Großprojekte: »Stuttgart 21 sitzt uns allen in Baden-Württemberg im Genick, was Bauplanung angeht.« Dass an einem der ersten sonnigen Wochenenden an die 1500 Besucher zur Baustelle pilgerten, ist für ihn ein Zeichen, dass der Turm von der Bevölkerung angenommen wird. dpa/nd

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