Sachsen-Mythos von links

LINKE im Freistaat forciert Strategiedebatte

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Für wen will Sachsens LINKE Politik machen, welche Themen will sie besetzen und soll sie regieren wollen oder nicht? Fragen für eine Strategiedebatte, die überfällig war - und an Fahrt gewinnt.

Der Gesprächsbedarf ist enorm. 23 Papiere wurden in Sachsens LINKE vor einer Konferenz verfasst, auf der am Samstag eine Debatte über die künftige strategische Linie des Landesverbandes begann. Gebündelt füllen sie 82 Seiten. Eine Linie ergibt sich aus der Fülle noch nicht: »Das ist Schaulaufen«, sagt ein Teilnehmer, »aber noch kein Diskurs«.

Der aber wird angestrebt, ein halbes Jahr nach der Landtagswahl, die für die LINKE mit 18,9 Prozent ein ernüchterndes Ergebnis brachte und schmerzhafte Fragen aufwarf. Etwa die, ob die Wahlstrategie passte: ein Kurs, der auf politischen Wechsel und ein rot-rot-grünes Bündnis orientierte - was Kritiker in den eigenen Reihen später eine »Illusion« nannten. Die Fragen gehen aber tiefer: Welche Themen soll die Partei besetzen? An welche Wählergruppen soll sie sich richten? Woran liegt es, dass ihr Wähler nicht nur abhanden kommen, weil viele sterben oder wegziehen, sondern auch, weil sie sich Parteien wie der AfD zuwenden? Warum gelingt es der LINKEN kaum, eine CDU unter Druck zu setzen, die doch ihrerseits kaum noch mehr zu bieten hat als das Dauerlächeln des Landesvaters?

Es sind grundsätzliche Fragen, an denen eigentlich ständig gearbeitet werden müsste. Es sei »gut, dass wir mit dem Nachdenken wieder anfangen. Wir dürfen nur nicht wieder damit aufhören«, sagt Bernd Rump - und merkt so indirekt an, dass genau das in der Landespartei passiert sei: Bis 2004 war Rump für strategische Überlegungen in der Fraktion zuständig; eine vergleichbare Arbeit vermisst er seither.

Nachgedacht wird nun aber mit Eifer: Es geht um Fragen der Parteiorganisation ebenso wie darum, wie man mit Witz und gezielter Werbung für ganz unterschiedliche Wähler um ein Direktmandat kämpft. Es geht auch darum, im Jahre alten Kampf zwischen verschiedenen Strömungen in der Landespartei Terrain zu gewinnen - vor allem zwischen Realpolitikern und Traditionalisten. Der von Parteilinken gegründete »Liebknecht-Kreis« drängt darauf, die LINKE müsse ihre Oppositionsrolle stärken, statt sich als »Regierung im Wartestand« aufzuspielen. Als »Sachsenmythos von links« bezeichnet das der parlamentarische Geschäftsführer Sebastian Scheel. Die LINKE sei in allen Ostländern schon an Regierungen beteiligt gewesen: »Warum sollten ausgerechnet sächsische Wähler anders strukturiert sein und das nicht wollen?!«

Wohin die Landespartei tendiert, wird sich auf einem Parteitag Mitte September zeigen, der die künftige strategische Linie beschließen soll. Peter Porsch, Ex-Fraktionschef und Chef der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gibt bis dahin eine Mahnung auf den Weg: »Die Debatte geht schief, wenn wir weiter die Kategorien ›wahr‹ und ›falsch‹ an die erste Stelle setzen«.

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