Kanzleramt hat im Wahlkampf gelogen

Neue Vorwürfe in der NSA-Affäre: Zusage der USA für ein No-Spy-Abkommen hat es wohl nie gegeben

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E-Mails zum No-Spy-Abkommen zeigen: Die Union hat im Wahlkampf 2013 gelogen. Zudem wurden Vorwürfe laut, die NSA wollte Siemens ausspähen.

Berlin. Nach der Veröffentlichung eines E-Mail-Verkehrs zwischen Berlin und Washington über ein von der Bundesregierung 2013 gewünschtes No-Spy-Abkommen hat der SPD-Vizevorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel dem Kanzleramt Täuschung der Öffentlichkeit vorgeworfen. Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) habe »aus wahltaktischen Gründen eindeutig die Unwahrheit gesagt«, sagte Schäfer-Gümbel dem »Tagesspiegel am Sonntag«. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe »in jeder Wahlkampfrede behauptet, deutsches Recht würde durch die Amerikaner nicht verletzt«. Der NSA-Untersuchungsausschuss müsse sich mit dem Thema befassen, forderte Schäfer-Gümbel.

Der Rechercheverbund von »Süddeutscher Zeitung«, WDR und NDR veröffentlichte am Samstag interne E-Mails über Verhandlungen zwischen Beratern des Kanzleramts und des Weißen Hauses vom Juli 2013. Aus diesen gehe hervor, dass es von Seiten der US-Regierung nie eine konkrete Zusage zu einem No-Spy-Abkommen gegeben habe. Trotzdem habe Pofalla am 12. August 2013 vor der Presse verkündet, die USA hätten ein solches angeboten.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte eine Erklärung von Merkel. »Ich will wissen, warum die Union wider besseres Wissen die Öffentlichkeit über ein angebliches No-Spy-Abkommen mit den USA getäuscht hat«, erklärte Göring-Eckardt in Berlin. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn (LINKE), sagte, auch dieses Gremium werde sich mit dem Thema beschäftigen. »Schon im Sommer 2013 war klar, dass das No-Spy-Abkommen nur die Beruhigungspille vor der Bundestagswahl sein sollte«, sagte Hahn dem »Tagesspiegel am Sonntag«. Dabei habe Pofalla sicher nicht auf eigene Faust gehandelt, sondern die Strategie mit Merkel abgesprochen. Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärte, für die Behauptung Pofallas habe es zu keinem Zeitpunkt eine Grundlage gegeben. »Sie war die glatte Unwahrheit.«

Am Wochenende wurden überdies neue Vorwürfe laut. Wie die »Bild am Sonntag« berichtete, soll die NSA versucht haben, mit Hilfe des BND den Siemens-Konzern auszuspähen. Grund sei eine angebliche Partnerschaft des Unternehmens mit dem russischen Geheimdienst SSSN gewesen. Ein Unternehmenssprecher sagte dem Blatt: »Siemens sind keinerlei Fakten im Verantwortungsbereich des Unternehmens bekannt, die eine Motivation von nachrichtendienstlicher Seite nachvollziehbar machen würde.«

Wie der BND auf das Begehr des US-Geheimdienstes reagiert hatte, blieb zunächst unklar. Doch der Vorgang könnte Merkel in weitere Erklärungsnot bringen. Das Kanzleramt ist die Aufsichtsbehörde des BND. Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) habe Merkel ihm versichert, dass es abgesehen von den Rüstungskonzernen EADS und Eurocopter keinen weiteren Hinweis auf Wirtschaftsspionage gegeben habe. Agenturen/nd

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