nd-aktuell.de / 12.05.2015 / Politik / Seite 14

Baggern an der falschen Stelle

Unternehmerin baggert am Elbe-Radweg stark daneben

Hendrik Lasch, Dresden

Knapp daneben ist auch vorbei: Im seit Monaten schwelenden Streit um ein Bauvorhaben direkt an der Elbe in Dresden hat die Bauunternehmerin Regine Töberich ihre Drohung wahr gemacht und ein 60 Meter langes Stück des Elbe-Radwegs abbaggern lassen. Dabei erwischte sie aber irrtümlich einen Wegabschnitt, der gar nicht auf dem ihr gehörenden Grundstück im Stadtteil Pieschen liegt. Die Stadt ließ den am Donnerstag von zwei Baggern zerstörten Streifen Asphalt am Wochenende neu auftragen. Töberich zeigte sich wegen des Fauxpas tief zerknirscht und kündigte an, die Kosten von geschätzt 15 000 Euro zu übernehmen. Zudem droht ihr ein Zwangsgeld von 5000 Euro. In der Sache bleibt die Bauunternehmerin aber hart. Auf die Frage, ob sie nun den Weg auf ihrem Grundstück abtragen lasse, sagte sie der »Sächsischen Zeitung«, sie schließe »nichts aus im Moment«.

Töberich liegt mit Rathaus und Stadtrat im Clinch über Pläne für den Bau von Luxuswohnungen am Elbufer. Bei dem Bauvorhaben mit dem Titel »Marina Garden« ging es anfangs um 244 Ein- bis Fünfraumwohnungen in, so die Lyrik aus dem Werbeprospekt, »elegant gestalteten, klassizistisch anmutenden« Bauten. Später wurde die Zahl auf 180 Wohnungen reduziert. Der Stadtrat beschloss 2010 den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, mehr freilich nicht. Seither haben sich die Prämissen für die Gestaltung des Areals deutlich verändert. Die Mehrheit im Stadtrat, der seit 2014 von LINKE, SPD und Grünen dominiert wird, will nur noch einen Teil der Fläche für Wohnungen reservieren. Daneben soll mit dem Verein »Freiraum Elbtal« die Kreativwirtschaft Platz erhalten; der Verein hatte bis Ende Februar in Baracken Ateliers betrieben, dann war eine 2014 ergangene Kündigung von der Polizei vollstreckt worden. Schließlich soll bei der Bebauung des Areals auch der Flutschutz verbessert werden. Auch das beschneidet die hochfliegenden Pläne Töberichs.

Die Unternehmerin, die auf gute Rendite durch die »hochwertigen« Wohnungen hoffen dürfte, fährt schweres Geschütz gegen die Entscheidungen des Rates auf. In halbseitigen Inseraten in Zeitungen warf sie Politik und Verwaltung vor, sie faktisch zu enteignen und »offensichtlich kriminell« zu handeln. Den Radweg, der über das von ihr gekaufte Grundstück verläuft, betrachtete sie als Faustpfand. Am Donnerstag ließ sie im regen Berufsverkehr zwei Bagger anrücken. Inmitten tumultartiger Szenen erklärte Töberich, gekleidet mit Designer-Armeejacke und Flieger-Sonnenbrille, die Zerstörung des Radwegs sei die »Ultima ratio« gewesen: »Ich habe leider keine andere Wahl.«

Nur Stunden später indes zeigte sich, dass fehlerhaftes Kartenstudium den Akt von Selbstjustiz zur Posse hatte werden lassen. Die von einer Lokalzeitung als »meistgehasste Frau Dresdens« betitelte Töberich sah sich mit viel Spott konfrontiert - der gelegentlich im Gewand leiser Lakonie geäußert wurde: Wenn man Grundstückseigentümer sei, »sollte man seine Grenzen kennen«, sagt Bauamtschef Reinhard Koettnitz - »insbesondere die des Grundstücks«, wie er hinzufügte. Weniger spöttisch als kämpferisch reagierte LINKE-Fraktionschef André Schollbach: Man lasse sich »nicht durch blinde Zerstörungswut erpressen«, erklärte der Politiker. Die Stadt bekräftigte ihre Position, der Weg sei für den Rad- und Fußgängerverkehr »öffentlich gewidmet«; dieser Status »wiegt schwerer« als die von der Bauunternehmerin ausgesprochene Kündigung des entsprechenden Vertrags.