»Früher das Mofa, heute der PC«

Volker Grassmuck über die Freie-Software-Szene und Alternativen zum Informationskapitalismus

Volker Grassmuck, Jahrgang 1961, freier Autor und Wissenschaftler, ist Mitinitiator der Konferenzreihe »Wizard of OS«. 2001 schrieb er das vielbeachtete Buch »Freie Software« (www.bpb.de). Darin schildert Grassmuck die Geschichte und Kultur der Szene, die Informationen für ein Allgemeingut hält. So soll Software, etwa das freie Betriebssystem Linux, jedem kostenfrei zugänglich sein. Das Gespräch führte Lorenz Matzat.

ND: Derzeit findet in Berlin die Konferenz »Wizards of OS 4 - Information Freedom Rules« statt. Was treibt die wachsende Freie-Software-Szene an?
Grassmuck: Der Grundgedanke ist, in kreativer Arbeit digitale Ergebnisse zu schaffen und mit anderen zu teilen, eigene Kreativität freizugeben und sich darüber zu freuen, wenn die Ergebnisse woanders auftauchen. Sicher gehört auch die Befriedigung dazu, die von einem positiven Feedback derer ausgeht, die diese Sachen benutzen. Eine Rolle wird zudem das Bedürfnis spielen, sich in den öffentlichen Raum einzuschreiben, so wie Graffiti-Künstler.

Gibt es eine Rückkopplung der digitalen Freude am Teilen in die echte, reale Gesellschaft?
Mit »digital« und »echt« habe ich Probleme. Was die Szene macht, passiert zwar online, ist immateriell und informationell. Aber es ist deshalb nicht weniger real. Die Tatsache, dass Informationsgegenstände beliebig oft kopierbar sind, sich nicht durch Benutzung erschöpfen, ist natürlich eine Voraussetzung, dass eine Wissens-Allmende entsteht. Aber es gibt auch hier erschöpfbare Ressourcen; die Motivation, Beiträge zu leisten, ist nicht unbegrenzt, ebenso die Lebenszeit. Deswegen müssen die Leute Prioritäten setzten. Über Lizenzen muss verhindert werden, dass Allgemeingut privatisiert und so Motivation frustriert wird.

Ist die Freie-Software-Szene eine soziale Bewegung?
Es ist keine soziale Bewegung im Sinne der Anti-AKW- oder Frauen-Bewegung, die in erster Linie Anti-Bewegungen waren. Es geht nicht darum, am Bauzaun zu rütteln. Zwar gibt es eine Befriedigung, Microsoft eine lange Nase zu zeigen - aber es ist nicht primäres Ziel, dieses Unternehmen zu schädigen. Wir machen lieber unser eigenes Ding. Insofern ist die Freie-Software-Szene eher vergleichbar mit Freien Radios: Als die Technik erst einmal da war, hatte man einen Kanal, für den man auch etwas gestalten musste. Bei der freien Software ist es ähnlich: sie ist die Sendetechnik, die nun benutzt werden kann. Von Leuten, die technisch interessiert sind, die eine mathematische Neigung haben, denen es Spaß macht, formalisiert zu arbeiten.

Ist die Szene demnach auf die Programmierer beschränkt?
Nein. Die Nutzer gehören auch dazu, und jene, die die Idee verbreiten. Aber im Kern stehen die Programmierer - und die haben teils sehr unterschiedliche Vorstellungen. Für die einen ist die offene und deshalb effizientere Methode des Programmierens interessant. Andere wollen das Modell der Freien Software auf die gesamte Gesellschaft ausweiten, also die materielle Produktion mit einbeziehen.

Was macht bei so viel Unterschieden dann den Bewegungscharakter aus?
Eine Szene wird zur Bewegung, wenn sie sich nicht nur für sich selbst interessiert wie Briefmarkensammler, sondern auf Gesellschaftsveränderung zielt. Es geht also darum, Leuten zu helfen und jene einzubeziehen, die ausgeschlossen sind, etwa vom Zugang zu Wissen oder Produkten der Kreativität anderer. Das ist auch die Motivation in der Freien-Software-Szene - idealerweise. Denn der Anspruch ist keineswegs absolut verwirklicht. Es gibt wenige Frauen in der Informatik und den IT-Berufen, in der Freien-Software-Szene ist ihr Anteil noch geringer. Es gibt weiterhin ein Machoverhalten, das sich festmacht an der Beherrschung der Maschine. Früher war das eher das Mofa, heute ist es der PC.

Sie haben kürzlich geschrieben: »Freie kreative Zusammenarbeit schafft unter anderem Wohlstand«. Für wen?
Freie Software schafft Wohlstand für Entwickler, die Dienstleistungsaufträge erledigen, und für Unternehmen, die diese einsetzen. In dieser Software ist dann der Mehrwert der Arbeit von zehntausenden Programmierern enthalten.

Was ist positiv daran, dass sich eine Firma an der Arbeit von Hobbyprogrammierern bereichert?
Dass Firmen mit dem kleinen Anteil des Einzelnen an der Programmierarbeit Geld verdienen, schließt nicht aus, dass auch der Einzelne damit Geld verdient. Traditionell war die Kontrolle der Produktionsmittel und der Distributionskanäle in der Hand weniger. In einer Netzwerkgesellschaft ist das anders. Und: Der Informationskapitalismus, etwa die Musikindustrie, die ihre Produkte als einzelne Artefakte verkauft, als CD oder online verschlüsselt, funktioniert offensichtlich nicht mehr.

Was ist die Alternative?
Eine Alternative sind kollektive Vereinbarungen: Auf der einen Seite ein Kollektiv von Musikern und Rechteinhabern, die ihre Werke in einer Verwertungsgesellschaft sammeln. Auf der anderen Seite ein Kollektiv von Musiknutzern, die zum Beispiel fünf Euro im Monat an ihre Internetfirma zahlen, die das Geld an die Verwertungsgesellschaft weitergibt, von wo es je nach Höreranteil an die Musiker verteilt wird.ND: Derzeit findet in Berlin die Konferenz »Wizards of OS 4 - Information Freedom Rules« statt. Was treibt die wachsende Freie-Software-Szene an?
Grassmuck: Der Grundgedanke ist, in kreativer Arbeit digitale Ergebnisse zu schaffen und mit anderen zu teilen, eigene Kreativität freizugeben und sich darüber zu freuen, wenn die Ergebnisse woanders auftauchen. Sicher gehört auch die Befriedigung dazu, die von einem positiven Feedback derer ausgeht, die diese Sachen benutzen. Eine Rolle wird zudem das Bedürfnis spielen, sich in den öffentlichen Raum einzuschreiben, so wie Graffiti-Künstler.

Gibt es eine Rückkopplung der digitalen Freude am Teilen in die echte, reale Gesellschaft?
Mit »digital« und »echt« habe ich Probleme. Was die Szene macht, passiert zwar online, ist immateriell und informationell. Aber es ist deshalb nicht weniger real. Die Tatsache, dass Informationsgegenstände beliebig oft kopierbar sind, sich nicht durch Benutzung erschöpfen, ist natürlich eine Voraussetzung, dass eine Wissens-Allmende entsteht. Aber es gibt auch hier erschöpfbare Ressourcen; die Motivation, Beiträge zu leisten, ist nicht unbegrenzt, ebenso die Lebenszeit. Deswegen müssen die Leute Prioritäten setzten. Über Lizenzen muss verhindert werden, dass Allgemeingut privatisiert und so Motivation frustriert wird.

Ist die Freie-Software-Szene eine soziale Bewegung?
Es ist keine soziale Bewegung im Sinne der Anti-AKW- oder Frauen-Bewegung, die in erster Linie Anti-Bewegungen waren. Es geht nicht darum, am Bauzaun zu rütteln. Zwar gibt es eine Befriedigung, Microsoft eine lange Nase zu zeigen - aber es ist nicht primäres Ziel, dieses Unternehmen zu schädigen. Wir machen lieber unser eigenes Ding. Insofern ist die Freie-Software-Szene eher vergleichbar mit Freien Radios: Als die Technik erst einmal da war, hatte man einen Kanal, für den man auch etwas gestalten musste. Bei der freien Software ist es ähnlich: sie ist die Sendetechnik, die nun benutzt werden kann. Von Leuten, die technisch interessiert sind, die eine mathematische Neigung haben, denen es Spaß macht, formalisiert zu arbeiten.

Ist die Szene demnach auf die Programmierer beschränkt?
Nein. Die Nutzer gehören auch dazu, und jene, die die Idee verbreiten. Aber im Kern stehen die Programmierer - und die haben teils sehr unterschiedliche Vorstellungen. Für die einen ist die offene und deshalb effizientere Methode des Programmierens interessant. Andere wollen das Modell der Freien Software auf die gesamte Gesellschaft ausweiten, also die materielle Produktion mit einbeziehen.

Was macht bei so viel Unterschieden dann den Bewegungscharakter aus?
Eine Szene wird zur Bewegung, wenn sie sich nicht nur für sich selbst interessiert wie Briefmarkensammler, sondern auf Gesellschaftsveränderung zielt. Es geht also darum, Leuten zu helfen und jene einzubeziehen, die ausgeschlossen sind, etwa vom Zugang zu Wissen oder Produkten der Kreativität anderer. Das ist auch die Motivation in der Freien-Software-Szene - idealerweise. Denn der Anspruch ist keineswegs absolut verwirklicht. Es gibt wenige Frauen in der Informatik und den IT-Berufen, in der Freien-Software-Szene ist ihr Anteil noch geringer. Es gibt weiterhin ein Machoverhalten, das sich festmacht an der Beherrschung der Maschine. Früher war das eher das Mofa, heute ist es der PC.

Sie haben kürzlich geschrieben: »Freie kreative Zusammenarbeit schafft unter anderem Wohlstand«. Für wen?
Freie Software schafft Wohlstand für Entwickler, die Dienstleistungsaufträge erledigen, und für Unternehmen, die diese einsetzen. In dieser Software ist dann der Mehrwert der Arbeit von zehntausenden Programmierern enthalten.

Was ist positiv daran, dass sich eine Firma an der Arbeit von Hobbyprogrammierern bereichert?
Dass Firmen mit dem kleinen Anteil des Einzelnen an der Programmierarbeit Geld verdienen, schließt nicht aus, dass auch der Einzelne damit Geld verdient. Traditionell war die Kontrolle der Produktionsmittel und der Distributionskanäle in der Hand weniger. In einer Netzwerkgesellschaft ist das anders. Und: Der Informationskapitalismus, etwa die Musikindustrie, die ihre Produkte als einzelne Artefakte verkauft, als CD oder online verschlüsselt, funktioniert offensichtlich nicht mehr.

Was ist die Alternative?
Eine Alternative sind kollektive Vereinbarungen: Auf der einen Seite ein Kollektiv von Musikern und Rechteinhabern, die ihre Werke in einer Verwertungsgesellschaft sammeln. Auf der anderen Seite ein Kollektiv von Musiknutzern, die zum Beispiel fünf Euro im Monat an ihre Internetfirma zahlen, die das Geld an die Verwertungsgesellschaft weitergibt, von wo es je nach Höreranteil an die Musiker verteilt wird.

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