Bachelets politischer Ziehsohn musste gehen

Umbildung des chilenischen Kabinetts soll der Regierung neue Luft für ihre Reformvorhaben verschaffen

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Kaderkarussell der chilenischen Präsidentin kreiste - als es wieder zu Stillstand kam, waren ein paar Gondeln neu besetzt.

Chiles neues Kabinett steht. Insgesamt nahm Präsidentin Michelle Bachelet acht Umbesetzungen vor. Fünf Minister mussten ihren Hut nehmen, drei wurden auf andere Ministerien umgesetzt. Die wichtigste Änderung: Mit dem Christdemokraten Jorge Burgos rückt der bisherige Verteidigungsminister auf den Posten des Innenministeriums.

Bachelet hatte vergangenen Mittwoch überraschend verkündet, dass sie den sofortigen Rücktritt ihrer 23-köpfigen Ministerriege eingefordert hatte. Lediglich Außenminister Heraldo Muñoz war wenig später in seinem Amt bestätigt worden.

Gehen musste auch der bisherige Wirtschaftsminister, der Sozialist Alberto Arenas. Neuer Ressortchef ist der bisherige Präsident der staatlichen BancoEstado, der Sozialdemokrat Rodrigo Valdés. Mit Marcos Barraza an der Spitze des Sozialentwicklungsministeriums stellt die Kommunistische Partei künftig zwei Minister in der neuen Regierung.

Zwar hat Bachelet seit ihrem Amtsantritt im März 2014 zwei ihrer versprochenen Reformvorhaben - Bildung und Steuern - auf den Weg gebracht. Aber der große Wurf, die grundlegende Reform der zum größten Teil noch aus der Pinochet-Diktatur stammenden Verfassung, steht noch aus. Auch wenn sie noch drei Amtsjahre vor sich hat, ist dies bei diesem tief greifenden Projekt wenig Zeit. Vor allem braucht sie dafür Handlungsfähigkeit und Rückhalt. Beides drohte in den letzten Wochen angesichts bekannt gewordener Fälle von Korruption, Vetternwirtschaft und umstrittener Zuwendungen für den Wahlkampf zu zerbröseln.

Als sicher galt deshalb, dass ihr bisheriger Innenminister Rodrigo Peñailillo nicht mehr dabei sein wird. Das Innenministerium ist gleich nach dem Präsidenten das wichtigste Exekutivamt. Einen Vizepräsidenten sieht die chilenische Verfassung nicht vor. Der politische Ziehsohn Bachelets gilt vielen als letzter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und die Kabinettsneubildung auslöste, nachdem immer deutlicher wurde, dass auch er in eine Affäre um dubiose Beraterhonorare verstrickt ist.

Eigentlich sollte die Kabinettsneubildung nach Bachelet eigenen Worten spätestens bis letzten Freitag erfolgt sein. Die Sozialistin Bachelet war als Kandidatin des Mitte-Links-Bündnisses »Neue Mehrheit«, bestehend aus Christdemokraten, Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten, ins Amt gewählt worden.

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