Für die Sorben

Jurij Koch zum 70. Geburtstag

Die Linde, »Symbol aller Panslawisten«, und die »Eichenlaubarschlöcher« - dazwischen der junge Juro Wariak, Held und Erzähler in »Landung der Träume«, einem der besten Werke sorbischer Prosa. Konstellationen, die sich durch Jurij Kochs Werk ziehen: Die Sorben und die Deutschen. Die hoch hinaus reichenden Träume der Kindheit und Jugend und die harte Landung auf dem Boden der Realitäten. Das heimatliche Dorf. Der Horror der Braunkohlenbagger, die den Sorben den Boden unter den Füßen wegschaufeln. Bange Fragen, die sich keineswegs erledigt haben: Was wird aus den Sorben? Was aus ihrer Sprache, ihrer Literatur? Jurij Koch hat sie sich oft genug gestellt und es als seine Lebensaufgabe angesehen, zu positiven Antworten beizutragen. Sorbisch war seine Muttersprache, sein Vater schuftete im Steinbruch bei Horka. Zwei Jahre fuhr er zum Unterricht ins tschechische Varnsdorf, studierte in der DDR, war Journalist und schließlich Schriftsteller. Schrieb Reportagen, Gedichte, Hörspiele, Stücke, Erzählungen, Romane. Publizierte zunächst nur sorbisch und wurde eher in andere slawische Sprachen übersetzt als ins Deutsche. Übertrug Apitz' »Nackt unter Wölfen« ins Sorbische. War Vorsitzender des Arbeitskreises sorbischer Autoren im DDR-Schriftstellerverband. Erst »Rosamarja« 1976 wurde sorbisch und deutsch geschrieben und erschien in beiden Sprachen. Neben Jurij Brezan und Kito Lorenc war und ist er der wichtigste Repräsentant der neueren sorbischen Literatur. Dem Judenmädchen Hana, das unter Sorben aufwuchs, die sie aber nicht schützen konnten, widmete er 1964 sein erstes Werk (»idowka Hana«). Sorbisches Leben in der DDR, Hoffnungen und Konflikte, die sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen verbanden, bestimmten Bücher wie »Zwischen sieben Brücken« (1968), »Rosamarja«, »Der Kirsch-baum« (1984). Immer ging es auch um Gefährdungen, die vom Energiehunger des Landes ausgingen und die sich im Verhältnis von »materiellem Gewinn und geistigmoralischem Verlust« zuspitzten. »Landvermesser« hieß die Erzählung, die dieses Problem 1975 aufgriff. Das »Messen« und die traditionelle Lebensart, die Fülle der bedrohten Natur stehen sich gegenüber. Typisch für Kochs Erzählstil: nüchterne Vorgänge gemischt mit fremd-bunten, auch humoristischen Episoden, die konkreten, sinnlichen Erscheinungen symbolisch und mythologisch aufgeladen. In »Landung der Träume« (1982) dann begleiten die sorbischen Götter und Mythen den autobiografisch unterlegten Lebensweg des Helden. Enttäuschungen sind deutlich spürbar. Nicht zuletzt angesichts der bedrohten Lausitz-Landschaft wurde Jurij Koch ein Vorkämpfer ökologischen Denkens. Auf dem X. Schriftstellerkongress 1987 hielt er eine anklägerische Rede, für das Autorenkollektiv »Literatur und Umwelt« protestierte er 1989 gegen die Beschlüsse, weitere sorbische Dörfer abzubaggern. Nach der Wende kam Hoffnung auf, doch wirkliche Sicherheit brachte die »elegante Gnadenlosigkeit des Kapitals« keineswegs. Sein ureigenes Thema hat ihn nicht losgelassen. Im Lausitz-Report »Jubel und Schmerz der Mandelkrähe« (1992) hat er die zwiespältige Lage der Sorben in der neuen, alten Zeit beschrieben. In Büchern für Kinder und Jugendliche hält er ihre Sichten auf Natur und Geschichte wach. Widerstand eines sorbischen Autor: gegen die Auflösung und die Gefahr, dass man s...

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