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Kein Schutz vor Gentech-Reis

Lasche Kontrollen, fehlende Haftungsregeln und Referenzproben

  • Michaela von der Heydt
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch der jüngste Lebensmittelskandal um gentechnisch veränderten Reis weitet sich aus. Verbraucherinteressen werden indes weder in Brüssel noch in Deutschland ernsthaft berücksichtigt.
Dass der gentechnisch veränderte Reis LL601 des deutschen Bayer-Konzerns, der nirgendwo in der Welt zum Verzehr zugelassen ist, nun offenbar jahrelang unentdeckt in europäischen Supermärkten landete, belegt einmal mehr, dass es keine kontrollierbare Koexistenz mit bewusst gentechnikfreiem Anbau geben kann. Unterdessen wird die Suche nach LL601-Reis in Baden-Württemberg nach ersten Nachweisen ausgeweitet. Reis-Produkte nahezu aller Handelsketten werden überprüft, teilte das Landesagrarministerium gestern in Stuttgart mit. Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vizepräsident des Agrar-ausschusses im Europäischen Parlament, hält es auch für möglich, dass »ein gezieltes Interesse vorliegt, den Bäuerinnen und Bauern Gentech-Getreide unterzumischen«. Die Gentechindustrie könnte so versuchen, die öffentliche Meinung »zu knacken«, die mehrheitlich gegen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) eingestellt ist. Die nun verhängte Sonderregelung für Reisimporte aus den USA sei zwar eine vernünftige Reaktion, um jedoch GVO-Kontaminationen nicht verspätet aufzudecken, müsste ständig gewährleistet werden, dass importierte Produkte den Anforderungen des EU-Lebensmittelrechts entsprechen. Doch genau das ist schwer umzusetzen. Die EU-Kommission hat zwar für alle Langkornreis-Lieferungen aus den USA jetzt ein Zertifikat eines unabhängigen Instituts verlangt, das die Ware als LL601-frei bestätigt. Doch EU-Verbraucherschutzkommissar Markos Kyprianou beschränkt sich darauf, die USA und Mitgliedstaaten zu verstärkten Kontrollen zu ermahnen. Auch bei Haftungsregelungen und Kontrollen hatte Brüssel stets die Verantwortung den Mitgliedstaaten auferlegt. Dass gerade auch Importkontrollen in der Bundesrepublik mangelhaft sind, hatte allerdings schon 2005 das EU-Lebensmittel- und Veterinäramt moniert. Bei einer Charge von 20 bis 24 Tonnen wurde nur eine Probe entnommen, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin. Außerdem seien die Tests sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass die Prüfer bei der Suche nach GVO Referenzproben der Konzerne brauchen, wie jetzt bei LL601 von Bayer. Erst dieser Tage konnte ermittelt werden, dass jede fünfte Probe des in Europa verkauften US-Langkornreises kontaminiert war. Der vzbv fordert die EU-Kommission daher auch auf, öffentlich zu machen, welche Produkte bei den Untersuchungen aufgefallen sind. »Nur so kann Vertrauen aufgebaut werden und die Verbraucher können selber entscheiden, zu welchen Produkten sie greifen«, sagte Agrarexpertin Jutta Jaksche. Doch auch in Deutschland werden wohl keine Produktnamen genannt werden. Zu groß ist die Sorge vor Schadenersatzklagen. Beim Bundesverbraucherschutzministerium wiegelt man ab. »Es handelt sich um eine Verunreinigung von 0,05 Prozent«, sagte ein Sprecher von Horst Seehofer (CSU). So hätten Verbraucher auch nur zivilrechtliche Ansprüche in dem Sinne, dass sie Waren umtauschen und den Kaufpreis zurückfordern können, meinte der Sprecher. Schadenersatzforderungen seien ausgeschlossen, es sei denn, den Geschäften sei ein Verschulden nachzuweisen. Auch die Hersteller können nicht in die Pflicht genommen werden, weil Gesundheitsschäden vorliegen müssen. »Das ist im Fall des LL601-Reises unwahrscheinlich«, meinte der Sprecher Seehofers. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CGB) hat gestern von der Europäischen Lebensmittelüberwachungsbehörde EFSA gefordert, keine Import-Genehmigung für gentechnisch veränderten Reis zu erteilen. Und die Grünen-Fraktion im Bundestag hat einen Importstopp von US-Reis gefordert, zumindest solange, bis durch Verhandlungen garantiert werde, dass es keine Lieferungen von nicht zugelassenem Reis mehr gebe, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Schutz vor GVO-Reis wird es kaum geben. Laut CGB hat Bayer bei der EU eine Import-Zulassung für den GVO-Reis der Sorte LL 62 beantragt.
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