nd-aktuell.de / 15.09.2006 / Politik

Musterschüler und Problemkinder

Haushaltspolitik: Ost-Länder sind unterschiedlich für Solidarpakt-Ende gewappnet

Hendrik Lasch
Ab 2009 wird Ostdeutschland langsam der Geldhahn zugedreht. Mit ihren aktuellen Etats suchen sich die Länder darauf einzustellen. Die Aussichten könnten unterschiedlicher nicht sein.
Das Rauschmittel von Sachsens Finanzminister Horst Metz heißt »Milbradt-Dividende«. Benannt ist es nach dem Amtsvorgänger von Metz und heutigen Ministerpräsidenten, der peinlich darauf bedacht war, dass der Freistaat so wenig Geld wie möglich bei Banken borgte. Weil die Schulden niedriger blieben als in anderen Ostländern, zahlt Sachsen jetzt nicht 1,4 Milliarden Euro Zinsen, sondern 630 Millionen. Finanzpolitisch gilt der Freistaat als Musterschüler unter den Ostländern: Von deren Problemen, sagt Metz, »koppeln wir uns ab«. Nichts illustriert das besser als der aktuelle Wettlauf beim Thema Neuverschuldung. Schon 2008 könne er ohne Kredite wirtschaften, sagte Metz. 2007 ginge auch, riefen die Regierungsfraktionen - und wurden von Milbradt übertrumpft, der den Termin auf 2006 vorzog. Sachsen wäre nach Bayern das zweite Bundesland, das ohne neue Schulden auskäme. Selbst die Opposition zollt Anerkennung. »Haushaltstechnisch« sei am aktuellen Zahlenwerk »kaum etwas auszusetzen«, sagt Linkspartei-Fraktionschef Peter Porsch, auch wenn eine »politische Idee« nicht zu erkennen sei. Auszahlen wird sich die »Milbradt-Dividende« ab 2009. Für den jetzt beratenen Doppelhaushalt 2007/08 sind die Kassen gut gefüllt - ein »gefühlter Reichtum« etwa durch Steueranhebungen, räumt Metz ein. Dann aber beginnen die Zuflüsse aus dem Solidarpakt II, derzeit 2,7 Milliarden Euro, zu sinken, bevor sie 2019 versiegen. Sinkende Bevölkerungszahlen kosten weitere 1,2 Milliarden Euro Zuweisungen. Es müsse also weiter gespart werden, mahnt Metz - trotz des »finanzpolitischen Vorsprungs«. In Magdeburg sieht man diesen mit Neid. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) wäre froh über eine Böhmer-, Gerhardts- oder Paqué-Dividende. Weil die Vorgänger von CDU, SPD und FDP aber nie richtig knauserten, sitzt man auf dem höchsten Schuldenberg eines Flächenlandes. Die Zinsen fressen ein Zehntel des Etats auf. Dessen Volumen wird in naher Zukunft dramatisch einbrechen - von jetzt zehn auf 6,5 Milliarden Euro. Die Regierung verordnet dem Land eine Rosskur. Die aktuelle Wahlperiode, mahnt Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU), sei »die letzte, in der wir umsteuern können«. Bislang ist das freilich ein Lippenbekenntnis, sagt Wulf Gallert, Fraktionschef der Linkspartei. Die Neuverschuldung liegt mit 550 Millionen Euro zwar niedriger als geplant. Das sei aber nur höheren Steuereinnahmen und Kürzungen bei den Kommunen zu danken: »Man lässt sparen.« Bald wird das Sparen richtig weh tun - und zwar auf lange Sicht. Ab 2010 will Bullerjahn ohne neue Kredite auskommen, danach jährlich 100 Millionen tilgen. Selbst wenn er den Betrag verdoppelte, wäre das Land erst in 110 Jahren schuldenfrei. In Magdeburg wird ernsthaft erwogen, mit dem Bund über eine Teilentschuldung zu sprechen. Allein ist Sachsen-Anhalt nicht: Auch Thüringen ist ein Problemkind. Die Pro-Kopf-Schulden stiegen auf 8000 Euro, doppelt so viel wie in Sachsen. Die Misere sei »eindeutig hausgemacht«, konstatiert eine Studie der Ebert-Stiftung, die der CDU-Regierung fehlende Ausgabendisziplin bescheinigt. Sie wird daher dringend gemahnt, »kurzfristige Sparpolitik in ein längerfristiges Strukturkonzept einzubetten«. Solche Hinweise braucht Sachsen nicht. Wenn dem Freistaat etwas droht, dann eher ein Phänomen, unter dem Streber oft leiden: Unbeliebtheit. Am Tag, als Milbradt verkündete, ab 2006 auf Kredite zu verzichten, erklärte Hessens Finanzminister, sein Land schaffe das nicht. Ein Grund: Hohe Überweisungen an andere Bundesländer. Dazu gehört auch Sachsen.