Rollo-Siedlungen bis runter zum Strand

Auf etlichen Nord- und Ostseeinseln wird bezahlbarer Wohnraum für Einheimische knapp

  • Hans-Christian Wöste
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Zweit- und Ferienwohnungen, aber hohe Mieten für die Einheimischen: Auf deutschen Inseln von Borkum bis Usedom greifen Sylter Verhältnisse um sich. Wie ist der Trend zu stoppen?

Massentourismus im Sommer, leere Geisterquartiere außerhalb der Ferienzeiten: Die eigentlich sehr unterschiedlichen Inseln an Nord- und Ostseeküste haben ein gemeinsames Merkmal - »tote Zonen« oder »Rollo-Siedlungen«. Dort stehen die Wohnungen einen Großteil des Jahres leer, denn etliche Teilzeit-Insulaner kommen nur für wenige Wochen in ihre schicken Zweitwohnungen von Borkum bis Usedom. »Das wird zu einem Riesenproblem«, ärgert sich Georg Lübben, Bürgermeister der niedersächsischen Nordseeinsel Borkum, über den Trend in Richtung Ausverkauf der Inseln.

Explodierende Immobilienpreise sind ein Teil des Phänomens. Die als »Syltisierung« bezeichnete Entwicklung zu astronomisch hohen Baulandpreisen greift um sich. »Beim Hauskauf geht es hoch bis hin zu 11 000 Euro pro Quadratmeter«, hat Lübben beobachtet. »Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung werden schon mal 750 000 Euro verlangt.« Niedrige Kreditzinsen bei hohem Preisniveau erleichtern den Kauf und die Investition in »Betongold«.

»Viele auswärtige Investoren erwerben Wohnraum als Kapitalanlage«, erklärt Uwe Garrels, Bürgermeister der Nordseeinsel von Langeoog. Klar ist aber auch, dass sich das nur diejenigen leisten können, die das Geld übrig haben.

Fatale Folgen hat vor allem der Umbau von Dauerwohnungen zu Ferienwohnungen. Das funktioniert so: Investoren kaufen Häuser mit Dauerwohnungen, reißen sie ab und bauen sie zu Ferienwohnungen um. Nutzen bringen sie nur auf Teilzeitbasis - und so stehen schicke Urlaubsdomizile viele Wochen des Jahres leer. Sie fehlen damit den Angestellten der Tourismusbranche und den Insulanern selbst. So muss eine Wohnung für eine Kindergärtnerin nicht selten lange gesucht werden, oder es gibt nicht genügend Zimmer, wenn ein Lehrer seine Familie vom Festland nachziehen lassen will. Bei Quadratmeterpreisen von bis zu 15 Euro, in Extremfällen sogar bis zu 30 Euro, sind auch die Kaltmieten auf den Inseln nicht gerade günstig.

Schon 2014 funkten die niedersächsischen Inseln SOS in Richtung Hannover: In einer Resolution forderten sie eine Änderung des Baugesetzes, um den Ausverkauf von Wohnraum zu stoppen. Die Kommunen könnten zwar die Schaffung von Wohnungseigentum unter Genehmigungsvorbehalt stellen, Käufer könnten dies jedoch durch eine Gesetzeslücke umgehen. Die soll nun geschlossen werden, so die Hoffnung der Bürgermeister und Verwaltungsspitzen der Inseln, die sich kürzlich zur zweiten Inselkonferenz in Hannover trafen.

Das Problem von Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten ist auch in anderen Bundesländern bekannt. Deshalb setzt Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) auf die Unterstützung von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, um Gesetzesänderungen mit einer Bundesratsinitiative voran zu treiben.

Eine schnelle Lösung zeichnet sich vorerst nicht ab, und so gibt es inzwischen noch ganz andere Teilzeit-Insulaner: Diejenigen, die dort arbeiten, aber dort nicht mehr wohnen können und zwischen Festland und Insel pendeln müssen, etwa nach Norderney. »Wir kriegen bald echte Probleme, die Leute unterzubringen«, fürchtet auch Borkums Bürgermeister Lübben. dpa/nd

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