Kobane als Initialzündung

Die alte internationalistische Linke versucht bei ihrem Kongress den Sprung aus der Nische

  • Ismail Küpeli
  • Lesedauer: 3 Min.
Die linke internationalistische Szene trifft sich bis Sonntag in Münster. Sie hofft, aus dem wieder erwachten Interesse an Fragen der internationalen Solidarität neue Kraft zu schöpfen.

Langjährige internationalistische AktivistInnen rieben sich im letzten Winter verwundert die Augen: Guerilla-KämpferInnen in Mainstream-Medien, große Anteilnahme für den Kampf um Kobane, eine kleine Stadt im Nahen Osten - waren die 1980er Jahre zurückgekehrt? Die Linke in Deutschland sammelte Geld für »Waffen für Rojava«, das nicht wenige an die »Waffen für den Vietcong« der 1968er Bewegung erinnerte. Internationalismus wurde schlagartig wieder hip. Dabei versuchen Netzwerke wie die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) seit Jahren, für internationale und transnationale Themen Interesse zu wecken - mit eher mäßigem Erfolg.

Das breite Interesse am Widerstand in der Region Rojava macht deutlich, dass internationalistische Themen durchaus öffentlich wirksam sein könnten. Andererseits wurden dieselben Probleme sichtbar, die schon früheren Bewegungen zusetzten. Während etwa die Bilder von kurdischen Kämpferinnen breit kursierten, wurde weitgehend ausgeblendet, welche Ideale diese Frauen verteidigten. Diese Ikonisierung war schon bei früheren Solidaritätskampagnen für Vietnam oder El Salvador zu beobachten. Die Herausforderung für den diesjährigen BUKO-Kongress in Münster ist es daher, die Erfahrungen der internationalistischen Linken aus den vergangenen Jahrzehnten für die heutige Generation junger AktivistInnen nutzbar zu machen.

In rund 90 Workshops, Podien und Vernetzungstreffen wird hier vier Tage lang diskutiert, was transnationale Solidarität in Zeiten von Krisen, Kriegen und Rassismus bedeuten kann. Wer kämpft mit wem wofür? Die internationalistische Linke sucht in Münster nicht zuletzt nach Antworten, wie sie aus ihrer Nische herauskommt. Welche Rolle Netzwerke wie die BUKO - Ort des linken NGO-kritischen entwicklungspolitischen Spektrums - hierbei spielen können, ist noch völlig offen. Rahel Müller von der diesjährigen Kongressvorbereitungsgruppe sieht jedenfalls »Internationalismus und transnationale Solidarität als thematische Brücke zwischen den verschiedenen Teilbereichskämpfen« und hofft auf eine bessere Vernetzung im Rahmen der BUKO,

Ebenso ist offen, wie das Verhältnis der Linken im globalen Norden und im globalen Süden aussehen könnte. Das alte Modell, wonach der Norden den Süden unterstützt, gilt nicht erst seit Kobane als überholt. Bereits die zapatistische Bewegung in den 1990er Jahren machte deutlich, dass wichtige Impulse für die globale Linke eher aus der Peripherie kommen. Der Kongress in Münster ist ein Spiegelbild dieser Verschiebungen. Zum ersten Mal seit Jahren wurde er von deutschen und nicht-deutschen Gruppen zusammen vorbereitet. Die vielfach geforderte »Debatte auf Augenhöhe« findet hier statt.

Gleichzeitig muss die Falle, sich auf ein einziges Thema zu konzentrieren, im Blick behalten werden. In den Solidaritätsbewegungen von den 1960ern bis heute war immer wieder zu beobachten, dass medial schwer vermittelbare Themen schnell vergessen wurden, wenn die deutsche Linke sich auf einzelne Weltregionen stürzte. Martin Reiter vom BUKO sieht in der langen Geschichte der Organisation »ein Gedächtnis von Bewegungen, das dabei helfen kann, solche Diskussionen nicht immer wieder bei Null beginnen zu müssen«.

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