Mit kosmischer Geschwindigkeit in die Krise

Der Absturz eines Progress-Raumtransporters verschärft die Probleme der russischen Raumfahrt

  • Ulf Mauder
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Woche nach dem Absturz eines unbemannten Raumfrachters erschüttern zwei neue Pannen die russische Raumfahrt. Experten sehen die Raumfahrtnation in einer tiefen Krise.

Moskau. Bei einer neuen schweren Panne in der russischen Raumfahrt ist eine »Proton-M«-Trägerrakete mit einem Satelliten an Bord in Sibirien abgestürzt. Kurz zuvor war auch ein Manöver zum Anheben der Internationalen Raumstation ISS gescheitert, weil ein Motor nicht bereit gewesen war. Die Höhenkorrektur soll am Montag wiederholt werden, wie das Flugleitzentrum der Agentur Interfax zufolge am Sonntag mitteilte.

Experten sprechen von einer schweren Krise in Russlands Raumfahrt, die sich mit »kosmischer Geschwindigkeit« vertiefe. Das zeige der jüngste Absturz eines unbemannten Progress-Raumtransporters vor wenigen Wochen. »Es sieht so aus, als bräuchte Russland die Raumfahrt nicht mehr. Deshalb gibt es keine ausreichende Kontrolle«, kritisierte Juri Karasch. Die Löhne seien zu niedrig. Es gebe zu wenige Spezialisten und kaum neue Projekte, so der Wissenschaftler der Russischen Raumfahrtakademie. Sein Kollege Alexander Schelesnjak betonte dem Sender Echo Moskwy zufolge, Russland habe seine führende Position verloren. Es dauere mindestens sieben bis zehn Jahre, um zu alter Stärke zurückzufinden.

Kurz nach dem Start der »Proton-M«-Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan hatte es am Sonnabend eine Havarie gegeben. Nach ersten Erkenntnissen gab es Probleme mit einem Motor an der dritten Raketenstufe. Bis Klarheit über die Ursache herrsche, seien alle weiteren Starts mit »Proton«-Trägerraketen abgesagt, teilte die Raumfahrtbehörde Roskosmos mit. Betroffen ist der für Anfang Juni geplante Transport eines britischen Kommunikationssatelliten. Der nun zerstörte 5,4 Tonnen schwere mexikanische Kommunikationssatellit MexSat1 hatte Mexiko und Südamerika mit Dienstleistungen versorgen sollen.

Nach Darstellung russischer Raumfahrtexperten könnten bis zu zehn Tonnen hochgiftiger Treibstoff an Bord der abgestürzten Trägerrakete gewesen sein. Die betroffene, dünn besiedelte Region Transbaikalien im Süden Sibiriens ist bekannt für ihre unberührte Natur. Behörden betonten, es gebe keine Hinweise auf Umweltschäden. Treibstoff und Trümmer sollen zum großen Teil explodiert und verglüht sein.

Untersucht werden soll zudem, warum die ISS in der Nacht zu Sonnabend nicht wie geplant bei einem Routinemanöver um 2,8 Kilometer angehoben werden konnte. Zum Anheben sollte der Antrieb des angedockten Raumfrachters Progress M-26 genutzt werden. Allerdings habe die Bodenstation kein Signal über die Bereitschaft des Motors erhalten, so Roskosmos. Die ISS bewegt sich in einer Höhe von rund 400 Kilometern über der Erde. Wenn die Station an Höhe verliert, wird die Bahn regelmäßig mit Hilfe von Motoren korrigiert. Die sechs Raumfahrer an Bord der ISS waren an der Operation nicht beteiligt.

Die pannengeplagte russische Raumfahrt hatte erst Ende April einen unbemannten Progress-Frachter mit Treibstoff, Nahrungsmitteln und Sauerstoff verloren. Grund war die Fehlzündung einer Raketenstufe. Der Frachter verglühte am 8. Mai beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Die Vorräte an Bord der ISS reichen nach Behördenangaben aus.

Wegen der Panne waren auch die nächsten bemannten Raumflüge verschoben worden. Die ursprünglich für vergangenen Donnerstag geplante Rückkehr von drei ISS-Crewmitgliedern ist nun Mitte Juni vorgesehen. Das neue Datum für die Landung der Italienerin Samantha Cristoforetti, des US-Astronauten Terry Virts und des Kosmonauten Anton Schkaplerow in der kasachischen Steppe steht noch nicht fest. Die neue ISS-Besatzung bricht nicht wie geplant Ende Mai auf, sondern erst Ende Juli. dpa

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