Zertreten oder respektieren

Kultursenator übergab Denkzeichen zu Ehren von Rosa Luxemburg

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 2 Min.
Als ein »zunächst unsichtbares Denkmal« bezeichnete Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) die in den Boden eingelassenen Zitate Rosa Luxemburgs rund um die Volksbühne in Mitte. »Kein Tuch wird gezogen«, sagte Flierl bei der unspektakulären Übergabe von 40 »Denkzeichen«. Insgesamt 60 Zitate sollen es einmal werden. Das Denkmal mit den bis zu sieben Meter langen Texten der Kommunistin Rosa Luxemburg wurden von dem deutsch-amerikanischen Konzeptkünstler Hans Haacke im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Rosa-Luxemburg-Platzes entworfen. Das Projekt habe schon immer in der Kritik gestanden, sagte Flierl. Die geschichtliche Deutung der Person Rosa Luxemburg sei »gefahrvoll«. Passanten könnten nun gehen oder lesen, die Texte zertreten oder respektieren. Vor einem Zitat Rosa Luxemburgs von 1914 kniete Senator Flierl für die Fotografen: »Wenn die Arbeiterklasse zu der Erkenntnis und dem Entschluß kommt, die Kriege nicht zuzulassen, dann sind die Kriege unmöglich geworden.« Vor der Volksbühne ein anderer Ausspruch aus dem Jahr 1917, der - so Flierl - die vielschichtige Persönlichkeit Luxemburgs deutlich mache: »Sie wissen, ich fühle und leide mit jeglicher Kreatur. Eine Wespe, die mir ins Tintenfaß rutscht, spüle ich dreimal in lauwarmem Wasser und trockne sie auf dem Balkon in der Sonne, um ihr das bißchen Leben zurückzugeben.« Ein Jahr später, 1918, sagte Luxemburg: »Der Sieg der Ebert-Regierung wird - wie alle Siege der Gegenrevolution - ein Pyrrhussieg bleiben.« Und schon 1913 ärgerte sich Rosa Luxemburg: »Unser herrschender "Marxismus" fürchtet leider jeden Gedankenflug wie ein alter Gichtonkel.« In den Denkzeichen bewege man sich buchstäblich durch die komplexe Gedankenwelt der 1919 ermordeten KPD-Mitbegründerin, so Hans Haacke. »Die Bodeninstallation soll den Platz nicht beherrschen wie ein Monument, sondern in ihn eingeschrieben werden wie unterschwellige Barrieren«, betonte der Kultursenator. Der ideologische Streit um Luxemburg, den »Sozialdemokraten, demokratische Sozialisten, orthodoxe Kommunisten, antiautoritäre 68er im Westen, DDR-Funktionäre wie DDR-Bürgerrechtler mit den jeweils passenden Zitaten führten«, werde mit den Textfragmenten bewusst nicht fortgesetzt. Die Bronze-Denkzeichen wurden mit 260 000 Euro aus dem Landesbudget für »Kunst im Stadtraum« finanziert. Der 1936 in Köln geborene und in New York lebende Konzeptkünstler Hans Haacke hatte bei einem Wettbewerb zur Gestaltung der Denkzeichen den ersten Preis gewonnen. Haacke hatte auch die Idee zu der Erd-Installation »Der Bevölkerung« auf dem Gelände des Reichstagsgebäudes. Die Errichtung des Rosa-Luxemburg-Denkmals war Bestandteil einer Koalitionsvereinbarung zwischen Berliner SPD und Linkspartei. Rosa Luxemburg hatte sich viele Jahre in der SPD engagiert, dann aber unter anderem in der Kriegsfrage mit den Sozialdemokraten überworfen. Die 1870 geborene Rosa Luxemburg war auch Mitbegründerin des Spartakusbundes. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde sie in Berlin von Freikorpsoffizieren verhaftet und ermordet.
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