Unbedenklich wie ein Duschbad

Kolumbianische Epidemiologin wirft Behörden ihres Landes unverantwortlichen Umgang mit Glyphosat vor

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Was halten Sie von der Entscheidung des kolumbianischen Präsidenten, den Einsatz von Glyphosat zu stornieren? Das bedeutet, dass von nun an die Sprühflugzeuge zur Vernichtung der Kokafelder erst einmal am Boden bleiben, oder?
Calderón: Das ist überfällig, denn schon vor 14 Jahren habe ich in einer Studie mit einigen Kollegen nachgewiesen, dass das Besprühen mit Glyphosat zahlreiche negative Folgen hat. In Putomayo, einem Verwaltungsdistrikt im Süden Kolumbiens an der Grenze zu Ecuador, wo das Besprühen aus der Luft jahrelange Tradition hat, haben wir zahlreiche negative Folgen aufgezeigt.

Bei Menschen, Tieren oder Pflanzen?
Erst haben wir festgestellt, dass nach den Sprüheinsätzen aus der Luft die Quote der Menschen, die sich in den lokalen Gesundheitsposten und Hospitälern in der Region mit Atemwegsproblemen meldeten, kräftig anstieg. Hinzu kamen Magen- und Hautprobleme.

Wie haben Sie recherchiert?
Wir haben in drei Gemeinden, Valle del Guamuez, San Miguel und Orito umfassend recherchiert. Im ersten Municipio stellten wir fest, dass 7252 Hektar belastet waren, wovon fast die Hälfte auf Weideflächen entfiel. Auf rund 40 Prozent der kontaminierten Flächen wurden Bananen, Yucca und Mai angebaut. Auf rund elf Prozent der betroffenen Flächen stand Koka - die Pflanze, um die sich in Putomayo alles dreht. Im der Gemeinde von San Miguel registrierten wir 2354 Hektar belasteter Flächen, wobei auf rund 22 Prozent der Flächen Koka angebaut wurde. Hier könnte man argumentieren, dass das Ziel der Besprühung zumindest in größerem Rahmen auch erreicht wurde.

Wie sah es in Orito aus?
Dort wurden 3230 Hektar kontaminiert, davon entfielen 50 Prozent auf Weideflächen, 25 Prozent auf Nahrungspflanzen und 25 Prozent auf Kokasträucher.

Gab es Beschwerden und Klagen der lokalen Bevölkerung?
Ja, wir sind aktiv geworden, weil rund 800 Klagen von Bewohnern aus demValle del Guamuez kamen, denen wir dann nachgingen. Menschen klagten über Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Atemwegsprobleme. 1264 Klagen kamen nach Sprüheinsätzen aus Orito.

Reagierten die kolumbianischen Behörden? Es gingen ja gleichzeitig Klagen aus dem benachbarten Ecuador ein, wo ebenfalls Sprühflugzeuge im Einsatz waren.
Anders als in Ecuaodor, wo man sich um den Schutz der Menschen in der Grenzregion kümmerte, ist man in Kolumbien nicht aktiv geworden. Hier galt Glyphosat als unbedenklich. Trotz besseren Wissens, denn Dr. Adolfo Maldonado von der Acción Ecológica aus Ecuador hatte bei den Urinproben, die er auf der anderen Seite der Grenze genommen hatte, Veränderungen der Chromosomen festgestellt.

Gab es auch Probleme bei den Nutztieren?
Ja, alarmierend war aber auch die Kontaminierung von Flüssen und Seen und der darin lebenden Fische. Zahlreiche Fische starben, aber auch bei Geflügel und Meerschweinchen gab es verheerende Schäden nach den ersten Sprüheinsätzen. Mehrere tausend Hühner und Gänse verstarben, weshalb wir Alarm schlugen angesichts der abnehmenden Nahrungsmittelsicherheit in der Region.

Wie war die Reaktion der zuständigen Stellen?
Schlimm, denn laut Verfassung ist es der Staat, der das Leben und die Integrität seiner Bürger schützen muss, es aber in diesem konkreten Fall nicht getan hat und es jetzt vielleicht verspätet tut. Damals haben die zuständigen Stellen betont, dass Glyphosat so unbedenklich sei wie eine Dusche mit Shampoo der Marke Johnsons. Nicht nur aus heutiger Sicht ein Skandal.

Das Verteidigungsministerium in Bogotá plädiert für die Fortsetzung der Einsätze?
Das ist unverantwortlich, denn wir wurden ja 2001 sogar in die USA eingeladen, um unsere Ergebnisse zu präsentieren. Die wurden dann zwar ignoriert, aber nun zeigt sich, dass wir Recht hatten und ich würde zu gern eine Folgestudie erstellen, um die Folgen der Einsätze mit Glyphosat zu dokumentieren. Die Leute hier müssen doch endlich ernst genommen werden.

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