Im neonhellen Dickicht der Städte

Performance-Installation »Extranea« in den Uferstudios in Wedding

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Fremdheit des modernen Städtebewohners zu sich selbst spürt das deutsch-französische Künstlerduo Christel Brink Przygodda und Philippe Veyrunes in der Performance-Installation »Extranea« nach. Das gelingt auf zuweilen anmutige Weise im kontrastreichen Zusammenspiel von zärtlich eingesetzten Neonröhren, Videoprojektionen in alle vier Richtungen des Raumes und den Bewegungen eines angesichts dieser visuell-technischen Apparatur oft sehr klein wirkenden, mit seinem eigenen Schatten aber auch riesengroß in die Projektion eingreifenden Menschenwesens.

Zunächst fallen die zwei kompakten Blöcke aus je 64 aufrecht stehenden Leuchtstoffröhren auf. Die schlanken Objekte wirken wie ein leuchtendes Gehölz. Ein schwach leuchtendes Gehölz, denn der Lichtdesigner und Videomischer Veyrunes ist vor allem von den Qualitäten des an- und ausgehenden Neonlichts begeistert. Übers Neongehölz streicht buntes Licht aus den Videoprojektoren, die vornehmlich Stadtimpressionen an große wie kleine Flächen im Raum werfen.

In dieser schwach erleuchteten Szenerie - Lichtquellen sind nur die flackernden Neons und das Streulicht der Videos - bewegt sich Brink Przygodda. Sie trägt schwere Stiefel mit großen klobigen Absätzen, die das eigentliche Bewegungsgeschäft massiv einschränken. Sie wolle die Schwerkraft arbeiten lassen, erzählt sie später. Und so fallen die Bewegungen eher reduziert aus. Das gewinnt poetische Kraft vor allem dann, wenn der Schatten ihres tanzenden Körpers in die Videos vom nächtlichen Verkehr fällt. Des Betrachters Auge schweift vom eher kleinen Körper der Tänzerin zu deren riesenhaftem Schatten, neben dem Lieferwagen zu Spielzeug werden, und löst ganze Assoziationskaskaden zu Größe und Kleinheit des Menschen aus.

Diese Erfahrung lässt sich in der Installation ohne Tanz auch mit dem eigenen Schatten und dem anderer Besucher machen. Ein überraschender Aufenthalt im neonhellen Dickicht der Städte.

19. Mai, 14 bis 18 Uhr Installation, 20 Uhr Performance, Uferstudios, Uferstraße 23, Berlin-Wedding; www.uferstudios.com

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal