nd-aktuell.de / 21.05.2015 / Politik / Seite 5

V-Leute beim Oktoberfestanschlag?

Bundesverfassungsgericht soll klären, ob die Regierung die Namen von Einflussagenten im Umfeld des Attentäters pauschal geheim halten darf

Fabian Lambeck
LINKE und Grüne klagen gemeinsam in Karlsruhe, um die Bundesregierung zu zwingen, die Namen von V-Männern im Umfeld des Oktoberfestattentats Preis zu geben.

Dieser Vorstoß könnte einen Präzedenzfall schaffen: Die Bundestagsfraktionen der LINKEN und der Grünen reichten am Montag Organklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Karlsruhe soll klären, ob die Auskunftsverweigerung der Bundesregierung zum Einsatz von V-Leuten rund um die Geschehnisse beim Oktoberfestanschlag 1980 rechtens ist. Anlass waren zwei unabhängig voneinander eingereichte Kleine Anfragen von Linksfraktion und Grünen zum Attentat, bei dem der Rechtsradikale Gundolf Köhler als Alleintäter die Bombe gelegt haben soll, die 13 Menschen tötete. Dabei interessierten sich beide Fraktionen für den Einsatz von V-Leuten im Umfeld des Attentäters. Die Bundesregierung habe beide Anfragen »halb, gar nicht oder ungenügend beantwortet«, kritisierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Petra Sitte, am Dienstag auf einer Pressekonferenz von LINKEN und Grünen. Mit pauschalen Verweisen auf den »Quellenschutz«, das »Staatswohl« und den »Schutz der Arbeitsweise der Geheimdienste« habe die Regierung jegliche Auskunft zu den V-Leuten verweigert. Selbst die Zahl der in Betracht kommenden V-Leute ist Staatsgeheimnis.

In der vom Münchener Verfassungsrechtler Matthias Bäcker ausgearbeiteten Klageschrift der Opposition heißt es, Staatswohl allein sei kein Argument: »In einem demokratischen Rechtsstaat kann auch die verdeckte Aufklärungstätigkeit der Sicherheitsbehörden nicht vollständig im Dunkeln bleiben.« Mit der Klage betritt man juristisches Neuland. »Einen Vergleichsfall in dieser Form gibt es nicht«, räumte der Grüne Konstantin von Notz ein, der auch als Obmann im NSA-Ausschuss sitzt. Notz gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass Karlsruhe verbindliche Kriterien für die Geheimhaltung festlegen wird.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, fügte hinzu: Derzeit blocke die Regierung alles und beschwöre »konkrete Gefahren für V-Leute« durch die mögliche Aufdeckung ihrer Tätigkeit, Tatsächlich sind die Antworten auf Kleine Anfragen öffentlich. Somit wäre eine Nennung von Namen auch eine Enttarnung der Einflussagenten, von denen es in der militanten Neonaziszene der frühen 80er Jahre nur so wimmelte. Haßelmann unterstrich, dass eine »Gefahr für Leib und Leben 35 Jahre nach dem Anschlag« nicht mehr bestehe. Vor dem Hintergrund der Taten des NSU-Terrortrios, das auch von V-Leuten unterstützt wurde, sei die pauschale Geheimhaltung besonders fragwürdig, so Haßelmann.