nd-aktuell.de / 22.05.2015 / Sport / Seite 19

Fünfte Liga ist schwerer als Bundesliga

Folge 66 der nd-Serie »Ostkurve«: Der Geschäftsführer Sport Mario Basler findet Erfüllung in seiner neuen Karriere bei Lok Leipzig

Als Spieler war Mario Basler gleichermaßen Genius und Querulant, der beim Publikum polarisierte und vom Boulevard geliebt wurde. Jetzt sucht er neue Aufgaben beim Lok Leipzig.

Sie wurden vor genau vier Monaten beim 1. FC Lokomotive Leipzig vorgestellt. Würden Sie den Job mit dem Wissensstand von heute wieder antreten oder haben Sie den Entschluss schon bereut?

Ich würde das wieder machen. Die Einschätzung, mit der ich hier vor vier Monaten angetreten bin, hat sich bestätigt. Lok Leipzig ist ein toller Verein. Hier kann man etwas bewegen. Ich bereue das auf gar keinen Fall.

Wo sind Ihre Kompetenzen bei Lok am dringendsten gefragt? In der Geschäftsstelle, bei Sponsorentreffen, auf dem Trainingsplatz?

Eigentlich überall. Da ich viele Termine habe, um den Verein zu repräsentieren, Kontakte zu knüpfen und mich mit Sponsoren zu treffen, bin ich viel unterwegs. Dazu fahre ich jeden Tag zum Training, tausche mich mit dem Trainer Heiko Scholz aus, bespreche mit ihm, was wir verbessern können. Von daher bin ich wohl am meisten im Auto zu finden.

Was hat sich für Sie als größte Herausforderung herausgestellt?

Natürlich gibt es viele finanzielle Altlasten aus den vergangenen Jahren. Aber man muss sich keine großen Gedanken machen, dass es morgen hier nicht mehr weitergeht. Wir arbeiten Tag für Tag daran, unsere finanzielle Situation zu verbessern. Dazu unterliegt mir natürlich der komplette sportliche Bereich.

Kann man die Arbeit bei einem darbenden Traditionsklub wie Lok und einem Bundesligisten mit professionellen Strukturen überhaupt vergleichen oder sind das komplett verschiedene Fußballwelten?

Das kann ich nicht wirklich vergleichen, da ich den Job als Geschäftsführer Sport ja zum ersten Mal mache. Ich kann also kaum beurteilen, wie das bei Zweit- oder Bundesligisten abläuft. Der größte Unterschied ist wohl: In der fünften Liga ist es viel schwieriger, sich finanzielle Möglichkeiten zu erschließen. Die Präsenz, die wir potenziellen Sponsoren anbieten können, ist natürlich deutlich geringer als in den ersten beiden Ligen, die im Fernsehen hoch und runter laufen. Generell denke ich, dass die Arbeit bei einem Bundesligaklub einfacher ist als in der 5. Liga.

Das Bruno-Plache-Stadion hat zwar viel Fußball-Tradition, das Gelände ist aber auch marode. Ist dort dennoch professionelles Arbeiten möglich?

Dass wir viele Baustellen haben, ist nichts Neues. Wir haben ein altes Stadion, die Geschäftsstelle ist ebenso renovierungsbedürftig wie die Umkleidekabinen der Mannschaften. Dennoch sind das keine Ausreden, dass man nicht professionell arbeiten kann. Im Gegenteil: Die Spieler haben vernünftige Trainingsplätze und eine Kabine, in der man sich wohl fühlt.

Sind Sie im Klub schon richtig heimisch geworden? Verstehen Sie die Lok-Seele?

Als ich den Job angegangen bin, habe ich schnellstmöglich versucht, mich in den Klub und die Fans einzudenken. Ich arbeite hier sehr gerne, weil es ein toller Verein ist und setze mich zu 100 Prozent für Lok ein. Der Klub meines Herzens wird dennoch immer der 1. FC Kaiserslautern sein. Damit bin ich als Pfälzer Junge einfach groß geworden.

In der Bundesliga haben Sie nach Ihrer aktiven Karriere keine Chance bekommen, bei Lok Leipzig wurden Sie ohne große Vorbehalte angenommen. Man nimmt Sie ernst, Sie sind Hoffnungsträger. Ist das Ihre persönliche Motivation, in der fünften Liga zu arbeiten?

Die Ligazugehörigkeit ist für mich nicht entscheidend. Ich will bei einem Verein arbeiten, der Tradition und ein Konzept hat und bei dem sich etwas bewegen lässt. Das, was mir versprochen wurde, habe ich auch so vorgefunden. Bei den Zielen, die wir besprochen haben (Aufstieg in die 3. Liga bis 2020, d.Red.), sind wir voll im Zeitplan. Der Druck auf mich ist bei Lok natürlich groß, weil man sich hier viel von mir erhofft. Aber ich habe von vornherein gesagt: Nur, weil ich jetzt hier bin, können andere die Arbeit nicht einstellen. Aber keine Angst: Hier hängen sich alle voll rein.

Sie wohnen gemeinsam mit Trainer Heiko Scholz in einem Hotel. Treffen Sie sich jeden Abend am Tresen zur Konferenz?

Wir laufen uns im Hotel ständig über den Weg. Gerade haben wir zusammen gefrühstückt, haben einiges besprochen. Das setzen wir nachher beim Training fort.

Sie kennen sich aus gemeinsamen Bremer Zeiten, sind sich später auch in der Regionalliga West als Trainerkollegen über den Weg gelaufen. Stimmt die Atmosphäre zwischen Ihnen?

Wir haben ein hervorragendes Verhältnis, funken auf der gleichen Welle, haben die gleichen Vorstellungen. Wir wissen beide, wie man professionell arbeitet. Ich versuche das Bestmöglichste zu tun, um Heiko den Rücken freizuhalten, damit er sich voll auf die Mannschaft fokussieren kann.

Lok wurde 2013 von engagierten Fans, die den Verein nun führen, vor der Insolvenz gerettet. Wie schwierig fällt es, alle Befindlichkeiten zu beachten und die Kompetenzen vernünftig zu verteilen?

Das ist überhaupt kein Problem, weil hier jeder die gleichen Vorstellungen hat, und weiß, was auf seiner Position zu tun ist.

Sie sind auch bei den aktiven Lok-Fans anerkannt. Beim Spiel der Liga-Konkurrenten zwischen Markranstädt und RB Leipzig II standen Sie selbst am Zaun und haben die aufgeheizten Gemüter einiger Lok-Fans beruhigt.

Zunächst einmal gab es seit einem Jahr keine Probleme mit unseren Anhängern. In Markranstädt wollten die Ordner unsere Fans nicht einlassen, weil sie Anti-RB-T-Shirts getragen haben. Da bin ich hingegangen und habe das geregelt. Unsere Fans haben die T-Shirts ausgezogen und wurden ins Stadion eingelassen. Das war weitgehend unproblematisch. Der Ruf, der den Fans von Lok Leipzig vorauseilt, ist schon lange Geschichte.

Ihre Aussagen über eine mögliche Kooperation mit RB Leipzig haben für Wirbel bei den Fans gesorgt.

Lassen Sie uns nicht über RB reden, weil das falsch wiedergegeben wurde und eine Kooperation zu keinem Zeitpunkt angedacht war. Mich interessiert RB in dieser Phase überhaupt nicht, weil RB Leipzig von unserem Verein so weit weg ist wie die Erde vom Mond.

Sie haben bei Ihrer Vorstellung bei Lok gesagt, dass Sie mit Ralf Rangnick einen Kaffee trinken werden, wenn Sie sich treffen. Ist das schon geschehen?

Wir haben uns auf einer Veranstaltung getroffen und intensiv miteinander gesprochen - aber alles rein privat.

Am vergangenen Wochenende sind Sie im Traditionsteam erstmals selbst im Lok-Trikot aufgelaufen. Können Sie Lok vielleicht sogar noch als aktiver Spieler helfen?

Ich spiele nach wie vor gerne Fußball. Ich habe mich bei der Traditionself ein wenig bewegt, das hat Spaß gemacht und dann schauen wir mal.

Sie haben noch ein Jahr Vertrag als Geschäftsführer in Leipzig. Werden Sie den erfüllen?

Wenn nichts dazwischen kommt, werde ich den Vertrag erfüllen. Wenn es auch der Verein will, würde ich auch länger bleiben. Aber das liegt ja nicht allein an mir.

Lok hat noch drei reguläre Ligaspiele. Wie hoch beziffern Sie die Chance, dass Sie um den Aufstieg in die Regionalliga spielen dürfen?

Dafür müssen drei Punkte zusammenkommen: Wir müssen alle drei Spiele gewinnen, Rostock darf nicht absteigen und Magdeburg muss aufsteigen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, und dann werden wir sehen, ob Rang drei für die Relegation (gegen den Zweiten der Oberliga Nord, d. Red.) genügt. Von daher bin ich völlig entspannt und kriege sicher keine Schweißausbrüche, wenn ich auf die Ergebnisse der Rostocker oder Magdeburger schaue.

Haben Sie Kontakt zu Rostock und Magdeburg aufgenommen?

Überhaupt nicht. Ich werde da auch nicht anrufen. Wir nehmen es so, wie es kommt. Wir haben ja nicht den Druck, in dieser Saison schon aufsteigen zu müssen. Wenn wir die Chance kriegen, nehmen wir das natürlich gern mit. Wenn es so kommt, sind wir auf ein mögliches Relegationsspiel vorbereitet.