nd-aktuell.de / 22.05.2015 / Politik / Seite 6

Gysi-Anklage? Hamburger Justiz streitet

Linksfraktion warnt vor Politisierung des Verfahrens

Berlin. Weil ein Staatsanwalt sich nicht von seinem Vorgesetzten anweisen lassen will, den LINKE-Politiker Gregor Gysi ohne ausreichenden Verdacht vor Gericht zu bringen, muss nun der Hamburger Justizsenator Till Steffen von den Grünen über eine Beschwerde entscheiden. Dies berichten NDR, WDR und die »Süddeutsche Zeitung«.

Seit zweieinhalb Jahren ermittelt die Hamburger Staatsanwalt gegen Gysi wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung, die er zu seinen angeblichen Kontakten mit der DDR-Staatssicherheit abgegeben hat. Er habe »zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich« ans MfS berichtet, hatte Gysi darin erklärt - um sich gegen Behauptungen in einem NDR-Film zu wehren. Ein pensionierter Münchner Richter hatte daraufhin Strafanzeige erstattet, später auch die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld.

Gysi pocht seit Jahren darauf: Er habe nicht an den Geheimdienst berichtet. Im Fall, der in Hamburg anhängig ist, wurde immer wieder ein zügiger Abschluss des Ermittlungsverfahrens avisiert. Inzwischen ist jedoch in der dortigen Justiz ein vehementer Streit entbrannt, ob nun Anklage erhoben werden soll oder nicht.

Juristisch müsste ein »hinreichender Tatverdacht« gegen Gysi vorliegen. Mehrfach soll das Verfahren vor dem Abschluss gestanden haben. Doch der Behördenleiter, der Hamburger Generalstaatsanwalt Lutz von Selle, intervenierte - und erteilte Weisung, den Linkenpolitiker anzuklagen. Der mit dem Fall betraute Staatsanwalt betrachtet den Vorgang ganz anders: Er sieht offenbar keinen »hinreichenden Tatverdacht« und weigert sich deshalb, Anklage zu erheben.

Über von Selle schrieb das »Hamburger Abendblatt« einmal, er habe »den Ruf des Hardliners und Pedanten«. Der ermittelnde Staatsanwalt hat inzwischen Beschwerde gegen die Anweisung des Generalstaatsanwalts beim Hamburger Justizsenator eingelegt. Der Fall liegt nun bei dem Grünen-Politiker, der entscheiden muss, ob er die Anweisung für rechtswidrig hält. Diese Prüfung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.

Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch nannte das Vorgehen des Generalstaatsanwaltes einen »politischen Skandal«. Ein Sprecher der Linksfraktion sagte, »vom Justizsenator ist zu erwarten, dass er Versuche, das Verfahren weiter zu politisieren, zurückweist«. Der zuständige Staatsanwalt müsse »von politischen Einflussnahmen« freigehalten werden. nd

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