Eine fast wahre Geschichte

Von Robert Rescue

  • Robert Rescue
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Telefon klingelt.

»Hallo?«

»Guten Tag, hier spricht das CRM Meinungsforschungsinstitut aus Zehlendorf. Wir führen eine Befragung zu den Themen «Musikgeschmack» und «Radiosender» durch. Könnte ich Ihnen dazu fünf Fragen stellen?«

»Fünf ist okay, aber nicht mehr. Sonst lege ich wortlos auf und ihre ganze Befragung ist für die Katz.«

»Okay, nur fünf Fragen. Ach so, ich habe vergessen zu erwähnen, dass wir heute nur Frauen und Männer zwischen 17 und 31 Jahren befragen können.«

»Ich bin 46 Jahre alt.«

»Oh, das tut mir leid. Ist denn in Ihrem Haushalt eine Frau in dem angegebenen Altersraum anwesend?«

»Das weiß ich nicht.«

»Wie meinen Sie? Sie meinen doch bestimmt nein, oder?«

»Ich meine, dass ich es nicht weiß. Kann aber sein, dass sie sich versteckt hat oder ich sie ganz vergessen habe. Warten Sie einen Augenblick, ich schaue mal nach.«

Drei Minuten später.

»Sind Sie noch dran?«

»Ja.«

»Also ich habe gerade meine gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden. Keine Frau zwischen 17 und 31 Jahren. Ich hatte kurz überlegt, ob sie die Befragung fortsetzen, wenn ich eine Frau jünger oder älter finden würde, aber das ist wahrscheinlich ein blöder Gedanke.«

»Allerdings. Ich habe die strikte Anweisung, nur Frauen oder Männer zwischen 17 und 31 Jahren zu befragen.«

»Ich fühle mich manchmal wie 30.«

»Keine Chance, das gilt nicht. Eine andere Frage: können wir Sie anrufen, wenn wir Männer ab 46 Jahren befragen?«

»Ja, das können Sie tun. Dann klingelt wenigstens mal das Telefon.«

»Hören Sie, um unsere Angaben zu vervollständigen und Sie beim nächsten Mal personalisierter ansprechen zu können, benötigen wir Ihre Postleitzahl.«

»Wozu denn das? Wollen Sie mich mit einer fünfstelligen Nummer anreden?«

»Nein, die Postleitzahl brauche ich nur zur Bestimmung der Fragethemen. Danach frage ich Sie nach ihrem Nachnamen.«

»13353.«

»Ach, ist das nicht der Wedding? Da, wo nur Arbeitslose und sonstige Gescheiterte ihr Dasein fristen?«

»Ja.«

»Und wie lautet ihr Nachname?«

»Rescue.«

»Hahaha, ich glaube, die haben Sie auch bitter nötig.«

»Hören Sie, wollen Sie mich verarschen? Bestimmt fragen Sie mich gleich noch nach der Straße und Hausnummer, und dann kriege ich künftig von Ihnen blöde Werbeprospekte zugeschickt.«

»Straße und Hausnummer stehen bereits auf meinem Display. Genauso wie der Hinweis, dass keine relevanten Themen gefunden wurden, zu denen wir Sie befragen können, da wir Sie zu keiner Zielgruppe zuordnen können. Ich fürchte, Herr Rescue, da müssen Sie lange auf einen Anruf unsererseits warten. Tschüss.«

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