nd-aktuell.de / 06.06.2015 / Brandenburg / Seite 14

Klarsfeld: »Eine Episode der Shoa«

Gedenktafel für 16 jüdische Naziopfer aus Frankreich in Sachsenhausen eingeweiht

Andreas Fritsche
Beate und Serge Klarsfelds Organisation »Söhne und Töchter der aus Frankreich deportierten Juden« stiftete eine Gedenktafel für 16 Jugendliche, die im Februar 1945 in Sachsenhausen ermordet wurden.

Auf dieser Seite der Lagermauer sieht es so befremdlich idyllisch aus. Im Bereich der Kommandantur hatte es sich die SS schön gemacht - ein KZ mit Rasen und mit Bäumen, die Schatten spenden.

Jetzt hängt an der Mauer eine Gedenktafel für 16 jüdische Naziopfer aus Frankreich. 60 Menschen sahen am Freitagmittag zu, wie zwei alte Männer das schwarze Tuch wegzogen, dass die Tafel bis dahin verhüllt hatte. Die Namen der 16 Jugendlichen tauchten auf: Sam Benadon, Serge Blumberg, Claude Goldstein, Marc Weill und die anderen Jungen. Zwischen 14 und 17 Jahre alt waren sie, als sie im Februar 1945 ermordet wurden. Drei Massenmordaktionen an Juden hat es damals gegeben.

»Wir wissen nicht, bei welcher Aktion sie ums Leben gekommen sind. Wir wissen nur, dass sie nicht überlebt haben«, sagt Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

»250 Juden gingen gestern in die Gaskammer«, schrieb der norwegische Architekt Odd Nansen am 6. Februar 1945 in sein Tagebuch. Der im KZ Sachsenhausen inhaftierte Sohn des berühmten Polarforschers Fridtjof Nansen notierte damals: »Anscheinend sollen alle Juden ausgerottet werden.«

Die 16 aus dem französischen Sammellager Drancy nach Auschwitz deportierten Juden hatten zwar das Vernichtungslager überstanden. Sie sind zwischen dem 17. und 21. Dezember 1944 von Hilfsarbeitern zu Maurerlehrlingen umgestuft worden. Es ist das letzte amtliche Dokument, das vom Schicksal dieser Menschen berichtet. Sie wurden ins KZ-Außenlager Lieberose gebracht, von dort in einem Todesmarsch nach Sachsenhausen getrieben und unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.

Man dürfe nicht nur die Zahlen und Fakten betrachten. »Diese Menschen hatten Träume, Hoffnungen und Talente«, sagte Rogel Rachmann von der israelischen Botschaft am Freitag in Sachsenhausen. Von der Gedenktafel gehe die Botschaft aus: »Wir werden euch nicht vergessen.«

Dass die Tafel noch da sein werde, »wenn wir gestorben sind«, als Zeugnis dieser »Episode der Shoa«, erklärten Beate Klarsfeld in deutscher Sprache, ihr Mann Serge in französischer. Gestiftet wurde die Gedenktafel von der Organisation Fils et Filles des Déportés Juifs de France (Söhne und Töchter der aus Frankreich deportierten Juden). Die Organisation hat alle Vernichtungslager besucht, ist erstmals 1981 nach Auschwitz gereist. Davon berichteten Serge und Beate Klarsfeld, die diese Organisation leiten und als Nazijäger berühmt geworden sind. Im Laufe der Jahre haben sie auf zahlreiche Kriegsverbrecher aufmerksam gemacht, die unbehelligt lebten, darunter Alois Brunner und Klaus Barbie.

2012 hatte die LINKE Beate Klarsfeld als Bundespräsidentin nominiert. Sie erhielt 126 Stimmen - drei mehr als die LINKE in der Bundesversammlung hatte. Joachim Gauck siegte mit 991 Stimmen. Im Mai 2015 wurde bekannt, dass Bundespräsident Gauck die beiden Klarsfelds für ihr unermüdliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnet.

Beate Klarsfeld verteilte am Freitag in Sachsenhausen eine Broschüre. Darin abgedruckt Kinderfotos der 16 jugendlichen Opfer und eine Zeichnung, die der 16-jährige Marc Weill in Lieberose für den Koch Basso Vanny anfertigte.