nd-aktuell.de / 10.06.2015 / Ratgeber / Seite 24

Wo sie greift - und wo nicht

Mietpreisbremse bei Wiedervermietung

Am 1. Juni 2015 trat das »Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten« (Mietrechtsnovellierungsgesetz) in Kraft: Bei Wiedervermietungen darf die Miete maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Bundesregierung hat jedoch so viele Ausnahmen, Einschränkungen und Bedingungen eingebaut, dass die Bremse nur zum Teil halten kann, was sie auf den ersten Blick verspricht. Der Berliner Senat will sie zügig in der ganzen Stadt anwenden. Was bringt sie den Mietern? Wo greift sie - und wo nicht?

Bei der Wiedervermietung von Wohnungen ist bisher die Miethöhe nicht reguliert. Der Vermieter darf verlangen, was der Markt hergibt. Freigewordene Wohnungen werden deshalb bei angespanntem Wohnungsmarkt zu deutlich höheren Mietpreisen neu vermietet.

Weil die Vermieter von dieser Möglichkeit weidlich Gebrauch machen, erhöht sich am Ende dadurch auch das gesamte Mietniveau einer Stadt. Denn die hohen Mieten bei Wiedervermietung gehen in den Mietspiegel ein, der Leitlinie für die Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen ist.

Mit der Mietpreisbremse dürfen Vermieter bei Wiedervermietung einer Wohnung höchstens zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird in der Regel mit dem Mietspiegel errechnet. Möglich ist aber auch ein Sachverständigengutachten.

Mit dem »qualifizierten« Berliner Mietspiegel kann für jede Wohnung, abhängig von Lage, Baualter, Größe und Ausstattung, sehr präzise die monatliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche berechnet werden. Wenn man dies für eine zu vermietende Wohnung konkret durchrechnet und zehn Prozent aufschlägt, ergibt sich die Höchstmiete, die nach der Mietpreisbremse zulässig ist. Die erfreulich einfache Grundregel der Mietpreisbremse wird leider durch eine Vielzahl von Ausnahmen verkompliziert und dadurch erheblich eingeschränkt.

Jede Menge Ausnahmen

Mieten, die schon höher liegen als die Höchstgrenze der Mietpreisbremse, haben Bestandsschutz. Hat also der Vormieter schon eine Miete gezahlt, die mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Maß liegt, darf der Vermieter diese Miethöhe auch vom Nachmieter verlangen, allerdings auch nicht mehr.

Die Mietpreisbremse gilt generell nicht für Wohnungen, deren Erstbezug nach dem 1. Oktober 2014 vonstatten ging. In diesen Neubauwohnungen greift die Mietpreisbremse weder beim ersten Mieter noch bei allen folgenden Mieterwechseln.

Für die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung ist die Bremse ebenfalls außer Kraft gesetzt. Bei den Folgevermietungen findet sie jedoch Anwendung.

Als »umfassend« gilt eine Modernisierung, wenn der Aufwand mindestens einem Drittel der Neubaukosten entspricht. Auch Wohnungen, die in einem Dreijahreszeitraum vor der Wiedervermietung »normal« (also nicht umfassend) modernisiert wurden, bekommen eine Extrawurst: Vermieter dürfen hier auf die ortsübliche Vergleichsmiete der unmodernisierten Wohnung zuzüglich zehn Prozent noch die Modernisierungsumlage, also elf Prozent der Investition, draufschlagen.

Die Bremse gilt außerdem nicht für Wohnheime, möblierte Untermietzimmer und Wohnraum, der zum vorübergehenden Gebrauch vermietet wird.

Aufgrund der vielen Ausnahmen kann ein Mieter kaum allein erkennen, ob die geforderte Miete rechtmäßig ist. Wenn der Vermieter behauptet, die Vormieter hätten bereits eine Miete über der Grenze der Mietpreisbremse gezahlt, könnte man diese Angabe überprüfen, indem man den vorigen Mieter fragt. Meist bekommt man ihn aber nicht zu Gesicht.

Wenn fraglich ist, ob in den letzten drei Jahren eine Modernisierung stattgefunden hat, könnte man die Hausbewohner um Auskunft bitten - das ist auch nur eine behelfsmäßige Lösung.

Beizeiten rügen

Um die Rechtmäßigkeit der geforderten Miethöhe zu überprüfen, braucht man überprüfbare Angaben. Die Kosten einer vorangegangenen Modernisierung oder die Miethöhe des letzten Mieters kennt letztlich nur der Vermieter. Der neue Mieter hat einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Vermieter über die Fakten, die eine mehr als zehnprozentige Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete rechtfertigen. Verweigert der Vermieter die Auskunft, kann der Mieter den Teil seiner Mietzahlungen bis zum Erhalt der Auskunft zurückbehalten, der die selbst errechnete preisrechtlich zulässige Miete überschreitet.

Um die zu viel gezahlte Miete nicht zu verlieren, sollte dem Vermieter gleich nach Vertragsabschluss eine Rüge wegen Überschreitung der preisrechtlich zulässigen Miethöhe gemäß Mietspiegel mitgeteilt werden. Hierfür hat der Berliner Mieterverein ein Musterschreiben.

Stellt sich später heraus, dass keine der Ausnahmen vorliegt und trotzdem das Limit der Mietpreisbremse überschritten wird, muss die zu viel gezahlte Miete ab dem Zeitpunkt der Rüge zurückgezahlt werden. Fortan gilt die ermittelte korrekte Miethöhe. Der Zugang der Rüge muss beweisbar sein, etwa als Einschreiben.

Bei weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen muss der Mieter lediglich den Beweis für die mehr als zehnprozentige Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete erbringen. Über die konkrete Mietspiegeleinordnung und das Vorliegen von wohnwerterhöhenden und -senkenden Merkmalen wird es gerichtliche Auseinandersetzungen geben - wie heute schon bei strittigen Mieterhöhungen.

Vermieter ohne Risiko

Für den Vermieter ist die Missachtung der Mietpreisbremse völlig gefahrlos. Zu viel kassierte Miete muss er nur zurückzahlen, wenn der Mieter gerügt hat. Höchstens wird die überhöhte Miete auf die Höchstgrenze der Mietpreisbremse reduziert. Bußgelder, Sanktionen drohen nicht - Risiko gleich null.

Da die Rechtslage mit all ihren Ausnahmen für die Mieter intransparent ist, eröffnen sich den Vermietern viele Wege, die Mietpreisbremse zu umgehen. Zu hoffen, dass die Mieter den Verstoß nicht erkennen, ist nur eine Möglichkeit.

Vermieter könnten Zuschläge verlangen, die die Miete trotz formaler Einhaltung der Mietpreisbremse am Ende weit über die Höchstgrenze hinaustreiben können. Zu befürchten ist auch, dass das neue Gesetz unterwandert wird, indem der Vermieter neben einer korrekten Nettokaltmiete eine weit überhöhte Betriebskostenpauschale verlangt.

Die Vereinbarung einer Staffelmiete ist keine Möglichkeit, die Mietpreisbremse zu umgehen. Sobald eine im Mietvertrag festgeschriebene Staffel eintritt, kann man die neue Miethöhe mit dem dann gültigen Mietspiegel abgleichen und dagegen vorgehen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als zehn Prozent überschritten wird. Das gilt aber nur für neue Staffelmietvereinbarungen. Staffelmieten von vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse bleiben vollständig gültig. Bei Indexmieten unterliegt nur die Ausgangsmiete der Mietpreisbremse.

Konjunktur für den »vorübergehenden Gebrauch«

Weil die Mietpreisbremse bei Wohnraum, der »nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist«, nicht greift, dürfte diese Vermietungsart in Zukunft Konjunktur bekommen. Allein eine zeitliche Befristung in den Mietvertrag zu schreiben, genügt aber nicht, um die Mietpreisbremse zu umgehen. Im Grundsatz fallen auch befristete Mietverträge unter das neue Gesetz.

Schon seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Vermieter den qualifizierten Mietspiegel angreifen (siehe nd-ratgeber Nr. 1205 vom 3. Juni 2015).

Die Bundesländer können Städte, Gemeinden oder auch Stadtteile benennen, in denen die Mietpreisbremse gelten soll. Der Berliner Senat will die Mietpreisbremse sofort in der ganzen Stadt in Kraft setzen.

Sobald dies geschehen ist, gilt die Mietpreisbremse bis zu fünf Jahren. Eine Verlängerung ist ohne erneute Gesetzesänderung ausgeschlossen. Eine durchgreifende Dämpfung der Mieten kann in diesem Zeitraum nicht erwartet werden. Das gilt auch für Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel.

Aus: MieterMagazin 5/2015