nd-aktuell.de / 11.06.2015 / Sport / Seite 19

Miese Stimmung in Baku

Die Gastgeber beklagen vor den Europaspielen »Schmutzkampagne« gegen Aserbaidshan

Jirka Grahl
Die Eröffnungszeremonie der ersten Europaspiele wird prunkvoll sein am Freitag. Die Kritik an den Gastgebern in Baku reißt nicht ab.

An den Tagen vor dem großen Tag lieferte Baku noch einmal spektakuläre Bilder: Von einem der drei 190 Meter hohen »Flammentürme« seilte sich ein Kletterer mit dem Olympischen Feuer ab, das bereits seit Wochen durch das Land am Kaspischen Meer getragen wird. Am »Heydar-Aliyev-Centre«, dem gigantischen Kulturzentrum, das Star-Architektin Zaha Hadid schuf, durfte ein einheimischer Bildhauer die Flamme präsentieren, die ein paar Tage zuvor auch vom Präsidenten Ilham Alijew, seiner Frau und seinen Kinder über die Straßen der aserbaidshanischen Hauptstadt getragen wurde.

Am Freitag soll das Feuer dann groß entzündet werden: Die ersten Europaspiele beginnen - wie es sich auch für ein europäisches Olympia gehört - mit einer prunkvollen Eröffnungsfeier. Alle Tickets für das Olympiastadion sind verkauft, 68 000 Zuschauer werden die Ränge der neuen 100 Millionen Dollar teuren Arena füllen.

Die Eckdaten des neuen Europa-Sportfestes sind nah am großen Vorbild Sommerolympia: 6000 Sportler aus 50 Ländern sind dabei, darunter 265 Starter aus Deutschland - eine der größten Mannschaften in Baku. Am Frankfurter Flughafen verkündete der Deutsche Olympische Sportbund gestern, wer die Fahne ins Olympiastadion tragen wird: Turner Fabian Hambüchen (27), der neben Fechterin Britta Heidemann und Tischtennisprofi Timo Boll der populärste Athlet der deutschen Baku-Delegation ist.

Es sei eine »Riesenehre« für ihn, verkündete der ehemalige Reck-Weltmeister aus Wetzlar: »Ich freu mich riesig.« Hambüchen mag Multisportevents: Auch bei der Universiade 2013 im russischen Kasan turnte er mit, zuvor zweimal auch bei Olympia: 2008 und 2012. Zum allgegenwärtigen Thema Menschenrechtslage in Aserbaidshan befragt, sagte Hambüchen gegenüber der Nachrichtenagentur »dpa«, die Sportler würden sich »zusammensetzen und überlegen, was wir machen werden«. Es werde aber keine konkreten Aktionen geben.

Was die Außenwirkung der Spiele anbetrifft, ist den Veranstaltern die Stimmung ziemlich vermiest: Alles Bemühen, Westeuropäern ein Bild von Aserbaidshan zu verschaffen, das dem Selbstverständnis der 23 Jahre alten Republik entspricht, fruchtet nicht. Die gravierenden Einschränkungen in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit (Rang 162 von 180 in der Rangliste von »Reporter ohne Grenzen«) überdecken das, was Aserbaidshan der internationalen Gemeinschaft anzubieten sucht: Gastfreundschaft, religiöse Toleranz, Säkularismus, Weltoffenheit, Stabilität. Die aserbaidshanische Vertretung in Berlin gab am Dienstag eine Presseerklärung »zur unberechtigten Kritik an den kommenden Europaspielen« heraus, in der formuliert wird, die Berichterstattung in Deutschland erwecke den Eindruck einer »Schmutzkampagne« gegen ein Land, das seit 2001 dem Europarat angehört, freien Zugang zum Internet gewähre und die Versammlungsfreiheit gewährleiste.

Doch die Kritik geht weiter. Für neue Schlagzeilen sorgte am Mittwoch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), die eine geplante Pressekonferenz in Baku absagte. AI berichtete, von der Botschaft in London sei mitgeteilt worden, Aserbaidshan sehe sich »nicht in der Lage, Amnesty zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Baku willkommen zu heißen«. Die Londoner Organisation »Platform« beklagte, ihre Aktivistin Emma Hughes sei am Flughafen Baku die Einreise verweigert worden. Hughes soll als Journalistin akkreditiert gewesen sein.