nd-aktuell.de / 16.06.2015 / Politik / Seite 10

Schlechtes Klima für die »Kornkammer der Karibik«

Guyanas neuer Staatschef David Granger will das Land auf die Gefahren vorbereiten, die die Erderwärmung nach sich zieht

Desmond Brown, Georgetown
Guyana ist der einzige ernährungssichere Mitgliedsstaat der Karibischen Gemeinschaft und »Kornkammer« der gesamten Region. Der Klimawandel stellt das Land vor große Herausforderungen.

Guyanas Staatschef David Granger ist ambitioniert. Nach 23 Jahren ist es ihm mit dem breiten Oppositionsbündnis »A Partnership for National Unity« m Mai gelungen, die People's Progressive Party (PPP) an der Regierung abzulösen. Nun will er das südamerikanische Land, das wie Nachbar Surinam zur Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) gehört, rechtzeitig auf die vom Klimawandel ausgehenden Gefahren einstellen. Sie bedrohen das landwirtschaftliche Potenzial des Landes. Derzeit generiert der Agrarsektor 32 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 37 Prozent der gesamten Exporteinnahmen. Sie beschäftigt ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung unter den 740 000 Einwohnern. Hauptausfuhrgüter sind Zucker und Reis sowie Wald- und Fischereierzeugnisse, mit denen 137 Millionen, 55 Millionen, 70 Millionen beziehungsweise 65 Millionen US-Dollar erwirtschaftet werden. Andere Anbauprodukte und die Viehzucht erzielen jährlich 7,5 Millionen Dollar.

Staatspräsident David Granger will sich nicht auf den wirtschaftlichen Lorbeeren seines Landes ausruhen. Wie er gegenüber IPS berichtete, unterscheiden sich die tiefliegenden Küstengebiete Guyanas klimatisch nur unwesentlich vom Hinterland und den bewaldeten Gebirgsregionen. Niederschläge seien häufig.

Weiter südlich, in Richtung brasilianischer Grenze, sehe die Landschaft völlig anders aus. Dort werde das Bild von Savannen geprägt, in denen sich lang anhaltende Regenzeiten mit langen Trockenperioden abwechselten. Die Küstengebiete hingegen zeichneten sich durch eine lange Trocken- und eine kurze Regenzeit aus. »Wenn wir vom Klimawandel reden, haben wir es mit einem äußerst komplexen geographischen Phänomen zu tun«, erläuterte Granger.

Etwa 90 Prozent der guyanischen Bevölkerung leben auf einem schmalen Küstenstreifen, der einen halben bis einen Meter über dem Meeresspiegel liegt. Dieser Gürtel wird von Deichen umsäumt, die auf die niederländische Besatzungszeit zurückgehen. In letzter Zeit werden die Schutzwälle jedoch durch schwere Stürme außer Gefecht gesetzt. Die Folge sind schwere Überschwemmungen, die sich nach Ansicht von Klimaforschern häufen werden.

Die Regierung investiert jedes Jahr sechs Millionen US-Dollar in Ent- und Bewässerungssysteme. Rund 100 Millionen Dollar sind erforderlich, um sie klimafest zu machen. »Wir müssen Wege beschreiten, die den Schutz unserer Bürger und die Verwaltung dieser Gebiete ermöglichen«, erläuterte der Staatspräsident. »Wir müssen Meeresschutzwälle errichten und unsere Drainage- und Bewässerungsanlagen modernisieren, um zu verhindern, dass die Bevölkerung weggespült wird.«

Vor zehn Jahren hatte das Land eine verheerende Flutkatastrophe erlebt, von denen eine Vielzahl der Küstendörfer betroffen war. »Die damaligen Überschwemmungen haben uns Milliarden Dollar gekostet«, sagte Granger. »Das zeigt, wie wichtig Prävention ist. Wir müssen unsere Bemühungen in diese Richtung intensivieren und dafür sorgen, dass ein exzessiver Holzeinschlag vermieden und bereits verlorenes Terrain wiederaufgeforstet wird.«

Guyana ist zu 80 Prozent von Regenwäldern bedeckt. Unterhalb der Wälder und Savannen lagern Gold, Diamanten und Bauxit, weitere wichtige Exportgüter des Landes. Norwegen hat Guyana bis Ende des Jahres 250 Millionen Dollar als Kompensationszahlung für ausgebliebene Rodungen zugesagt.

Die höchsten Kosten, die auf Guyana zukommen, betreffen die zwingende Umsiedlung der Küstenbewohner in höher liegende Regionen. Niemand würde sich gern ein solches Szenario vorstellen, meinte Granger. Doch da sich der Zeitpunkt einer solchen Katastrophe nicht vorherbestimmen lasse, sei es gut, gewappnet zu sein. IPS