Athen hat alle Rüstungsvorhaben eingefroren

SYRIZA-Regierung will Verteidigungsausgaben um 200 Millionen kürzen / Grüne Roth: Das ist zu wenig

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Athen will 200 Millionen Euro im Verteidigungshaushalt kürzen. Zu wenig, sagt unter anderem die Grünen-Politikerin Roth. Vizeverteidigungsminister Isychos weist die Kritik zurück.

Griechenland hat sich im vergangenen Jahr im Global Peace Index um 22 Plätze verbessert - in Europa war das der größte Sprung. Die Rangliste, die jährlich vom Institute for Economics and Peace veröffentlicht wird, bezieht ein breites Spektrum von Indikatoren ein: von sozialer Sicherheit über Kriegseinsätze und Polizeigewalt bis zu Rüstungsausgaben.

Weil letztere in Griechenland aber immer noch sehr hoch sind, sieht sich die SYRIZA-geführte Regierung mit lauter werdenden Forderungen nach Kürzungen im Verteidigungsetat konfrontiert. Im noch von der Vorgängerregierung verabschiedeten Haushalt für 2015 sind rund 3,2 Milliarden Euro für Verteidigung vorgesehen, rechnete der Rüstungsexperte Jerry Sommer vom internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) unlängst vor. Das ist zwar um die Hälfte weniger als 2009. Dennoch bleibt Griechenland im Verhältnis zur Einwohnerzahl das am höchsten gerüstete Land in Europa. Im »Global Militarisation Index« des BICC lag Griechenland 2014 unter den Top Ten.

Athens Vizeverteidigungsminister Kostas Isychos sieht »eine massive Aufblähung der griechischen Rüstungsausgaben« dafür als Grund, »deren Höhepunkt in den 1990er Jahren erreicht wurde«. Den Käufen habe »jegliche Transparenz« gefehlt, die Deals »verliefen alles andere als den Standards demokratischer Staaten entsprechend«, so Isychos. Nicht zuletzt hätten deutsche Firmen daran verdient. Griechenland habe »zwischen 1974 und 2009 jährlich 9,64 Prozent« der »Gesamtexporte der deutschen Rüstungsindustrie erworben«.

In den Verhandlungen mit den Gläubigern über die Bedingungen, die Athen für die Freigabe noch ausstehender Mittel aus dem laufenden Kreditprogramm erfüllen soll, hat die griechische Regierung eine Kürzung der Verteidigungsausgaben um 200 Millionen Euro vorgeschlagen. Nicht nur die Grünen-Politikerin Claudia Roth nannte dies zu wenig.

Isychos wies jedoch Kritik daran zurück, zu wenig an dieser Stelle zu sparen. Man habe nach den Wahlen im Januar »alle Rüstungsprogramme eingefroren«, derzeit befinde sich »kein einziges Rüstungsprojekt im Stadium der Umsetzung«. Die Fortführung von in der Vergangenheit gestarteten Vorhaben, »beschränkt sich auf Wartungs- und Reparaturverfahren«, so der SYRIZA-Politiker. Zudem wurde »eine Interne Untersuchungskommission ins Leben gerufen«. Es gehe darum, die sich »auf Milliardenhöhe summierenden« Rüstungsgeschäfte zu prüfen. Isychos nannte es »gewiss auch für die EU« von Interesse, »sich eingehender mit der Intransparenz und den gesetzeswidrigen Praktiken dieser Geschäfte auseinanderzusetzen«.

Derweil hat der österreichische Kanzler Werner Faymann im Streit um das von den Gläubigern blockierte Kreditprogramm Verständnis für das Nein aus Athen zu einigen der Gläubiger-Bedingungen gezeigt. Angesichts der sozialen Krise kritisierte er den Vorschlag der Gläubiger, die Mehrwertsteuer auf Medikamente zu erhöhen, als »nicht in Ordnung«. Ob der Sozialdemokrat in Athen neue Vorschläge überbracht hat, blieb am Mittwoch offen.

Im Lager der Kreditgeber gibt es überdies weiter Differenzen. Am Dienstagabend hatte auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärt, er befürworte weder eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Medikamente noch auf Strom. Er hielte es vielmehr für einen »schweren Fehler«, Athen dazu zu zwingen. Dies war als Kritik an der griechischen Regierung interpretiert worden, weil Premier Alexis Tsipras erklärt hatte, die EU verlange eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Strom und Medikamente. Richtig ist, dass diese Forderung in einem Papier auftaucht, auf das sich Anfang Juni in Berlin Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi sowie IWF-Chefin Christine Lagarde verständigt hatten. Juncker war bei dem Treffen nicht dabei. Seite 4

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