nd-aktuell.de / 20.06.2015 / Berlin / Seite 13

Die Fremden im Allende II

Christin Odoj
Am Donnerstagabend lud Peter Hermanns, Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Köpenick, Anwohner abermals zum Dialog. Von einem, der die Hoffnung nie aufgibt.

Wenn das eigene Vorurteil plötzlich ein Gesicht bekommt, wenn das Fremde plötzlich Haare, Füße, Ängste hat wie man selbst, dann wird es auf einmal ruhig. Peter Hermanns, Leiter einer Flüchtlingsunterkunft im Köpenicker Allende Viertel II, sitzt am Donnerstagabend auf dem Podium in der Aula der Flatow-Oberschule, um dem Ungefähren, dem Hörensagen und den Verdächtigungen der Menschen, die rund um das Containerdorf in der Alfred-Randt-Straße leben, seine Wahrheit gegenüberzustellen. Anwohnerdialog - angesetzt auf zwei Stunden. Bei einer Infoveranstaltung im Dezember, kurz bevor die Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Balkan in ihren bunten, gestapelten Mikrokosmos nahe am Wald einzogen, waren über 200 Menschen gekommen, jetzt sind noch 26 übrig. Moderator Stephan Bünger wird sie hinterher den »harten Kern« nennen. Hermanns, dem Sozialarbeiter, der immer vermittelt, beruhigt, relativiert, platzt inzwischen der Kragen. »Hier vorne sitzen Menschen, die aus Not geflohen sind und sie schaffen es nicht, diese Leute mal direkt anzusprechen.« Ruhe.

Nachdem eine zähe Stunde über Flüchtlingskinder, die mit Stöckern schmeißen, Heimbewohner, die auf Spielplätzen rauchen und trinken, Supermarktdiebstähle und laute Musik monologisiert wird, hat nun keiner mehr etwas zu sagen. Auf der Bühne sitzen zwei Bewohner aus der Unterkunft. Eine junge Frau aus Serbien und ein Palästinenser, der Jura studierte und aus Syrien floh. Bis hierher also kein Interesse. Dann will eine ältere Frau, verpackt in ein Referat über den Ärztemangel in Köpenick, tatsächlich wissen, wer die beiden sind. Irena Petrović* erzählt, dass sie auch Angst hat in Köpenick, dann, wenn ein Auto an ihr vorbeifährt und aus dem Wagen zeigt ihr eine zur Pistole geformte Hand entgegen. Wieder Ruhe.

Ein halbes Jahr gibt es das Containerdorf im Allende Viertel, normalisiert habe sich nichts, sagt Hermanns nach dem Treffen. Die wöchentlichen gegen das Heim gerichteten Mahnwachen gebe es noch immer. Und die, die mit den Flüchtlingen kein Problem haben, schweigen still.

*Name geändert