Gleichberechtigte Jäger und Sammler

Studie zeigt: Erst mit der Landwirtschaft verschoben sich die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Von Elke Bunge

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein viel diskutiertes Thema. Für viele heute kaum noch vorstellbar, konnte in der BRD ein Ehemann die Anstellung seiner Frau bis 1958 ohne deren Zustimmung fristlos kündigen, und bis 1977 durfte die Ehefrau im Westen nur mit Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten. Frauen in Führungspositionen und gleicher Lohn bei gleicher Arbeit sind auch heute noch umkämpfte Themen. Umso erstaunlicher, dass in prähistorischer Zeit die Gleichstellung von Männern und Frauen schon einmal bestanden hat.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Anthropologen John Dyble und Kollegen vom University College in London. Ungleichheiten entstanden erst mit dem Aufkommen der Landwirtschaft, so die Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse im Fachblatt »Science« (Bd. 348, S. 796) publizierten. Bis dahin hätten Frauen und Männer gleichberechtigt gelebt.

Für ihre Studie sammelten die Wissenschaftler Daten von zwei heute lebenden Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften - einer am Kongo, der anderen auf den Philippinen. Dort untersuchten sie insbesondere deren Verwandtschaftsbeziehungen, die Bewegung zwischen Lagern und die Aufenthaltsorte. Dazu führten sie Hunderte von Interviews. Beide Gemeinschaften leben in Gruppen von etwa 20 Personen zusammen und wechseln etwa alle zehn Tage wegen der Nahrungssuche den Aufenthaltsort. Die Analyse der Autoren zeigt: Frauen und Männer haben den gleichen Einfluss auf das Gemeinschaftsleben in der Gruppe, leben in diesen Gesellschaften mithin gleichberechtigt zusammen. »Dies«, so Dyble, »hatte bereits bei den prähistorischen Vorfahren einen evolutionären Vorteil, denn es förderte die Beziehungen zwischen Männern und Frauen.«

Bei den untersuchten Stämmen entscheiden Männer und Frauen gemeinsam über die Bildung von Gruppen innerhalb der Gemeinschaft, dabei sind insbesondere Frauen an einer Ausweitung der sozialen Netzwerke außerhalb der Kernfamilie interessiert. Durch den Kontakt zu Personen außerhalb der Familie kommt es zu einem regen Austausch von Ideen und Innovationen: ein immenser Vorteil im Verlauf der menschlichen Evolution. Laut Dyble war die Gleichstellung der Geschlechter deshalb einer der wichtigsten Faktoren, die Menschen von den Primaten unterschied. Die Schimpansen zum Beispiel leben auf einem festen Territorium mit begrenztem Austausch zu anderen Tieren, in einer hierarchischen Gesellschaft, die klar von den männlichen Tieren dominiert wird.

Mit der Entwicklung der Landwirtschaft kam es auch zum Sammeln von Ressourcen. In dieser Lebensform änderte sich dann das gemeinschaftliche Miteinander. Durch das Anlegen von Vorräten, so Dyble, konnten Männer jetzt mit mehreren Frauen zusammenleben und von ihnen Kinder bekommen. Die in dieser Gesellschaftsform dominierenden Männer bildeten jetzt Bündnisse mit ihren männlichen Verwandten. Beziehungen zu anderen Gruppen, die insbesondere von den weiblichen Stammesmitgliedern gepflegt wurden, wurden weniger intensiv gesucht.

Nach der Theorie des Forscherteams ist die Gleichstellung der Geschlechter also keine neue Entwicklung, sondern wurde bei den früheren Menschen bereits intensiv gelebt. Als Ursache für dieses Miteinander werden in der Literatur die durch das wachsende Gehirn längeren Aufzuchts- oder Erziehungszeiten diskutiert, die nur von Männern und Frauen gemeinsam bewältigt werden konnten.

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