nd-aktuell.de / 22.06.2015 / Kommentare / Seite 11

Bei der Charité geht’s um alles

Martin Kröger über die Bedeutung des Streiks an dem Uni-Klinikum

Martin Kröger
Der akute Pflegenotstand in den deutschen Krankenhäusern zwingt die Beschäftigten geradezu dazu, sich zu wehren, weil die Überlastungen und der hohe Arbeitsaufwand nicht mehr tragbar sind.

Der Streik, der an diesem Montag an der Charité Uni-Klinik beginnt, hat eine Bedeutung weiter über Berlin hinaus. Anders als bei üblichen Tarifauseinandersetzungen geht es nicht um Lohnsteigerungen, sondern eine bessere Personalausstattung. Der akute Pflegenotstand in den deutschen Krankenhäusern zwingt die Beschäftigten geradezu dazu, sich zu wehren, weil die Überlastungen und der hohe Arbeitsaufwand nicht mehr tragbar sind. All das geht auch zu Lasten der Patienten in Europas größter Uniklinik und deren renommierten Ruf.

Von überragender Relevanz ist der Streik aber auch, weil die Charité-Leitung unter Karl Max Einhäupl derzeit versucht, den Ausstand juristisch anzufechten. Der Klinikkonzern argumentiert, das »Patientenwohl« sei durch das Ausmaß des unbefristeten Streiks gefährdet. In erster Instanz ist das vor dem Arbeitsgericht Berlin zwar abgewendet worden, aber die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg steht noch aus. Es geht dabei um die Grundsatzfrage: Darf eine Gewerkschaft für mehr Personalausstattung und Gesundheitsschutz streiken? Das Arbeitsgericht Berlin meint: Ja, die unternehmerische Freiheit hört da auf, wo der Gesundheitsschutz für die Beschäftigten anfängt.

Finanziell trifft der Streik die Universitäts-Klinik ins Mark. Insbesondere weil der Senat bei seinen harten Sparvorgaben bleibt (schwarze Null!). Das Krankenhaus-Personal wird von den Krankenkassen gezahlt, wofür das Geld bereits jetzt nicht reiche, und die Personalschlüssel gelten bundesweit, heißt es auch seitens der Unternehmer. Eine singuläre Lösung für die Charité strebt der Senat nicht an. Bedeutet: Die Koalition von SPD und CDU macht sich einen schlanken Fuß und wälzt die Verantwortung sowohl in den Bund als auch auf den Klinikvorstand ab. Diese rigide Haltung müssen die Streikenden knacken, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen. Bundesweit werden ihnen dafür nicht nur alle Krankenhausbeschäftigten sicherlich die Daumen drücken.