»In Wahrheit zählt hier nichts als das Geld«

In den USA wurden 27 Privatbriefe von Albert Einstein versteigert

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.
Einsteins Briefe geben Einblick in das Privatleben eines Genies. Den Söhnen riet er einst: Nehmt die Schule endlich ernst.

In diesem Jahr feiert die akademische Welt den 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie. Deren Schöpfer, der Physiker Albert Einstein, gilt rund um den Globus als einer der größten Denker der Geschichte. Schon zu Lebzeiten wurde er verehrt wie ein Popstar. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Zumal der Mensch Einstein so ganz anders war als die meisten seiner Kollegen aus der Wissenschaft: Er trug keine Socken, ließ sich nur selten die Haare schneiden, hatte zahlreiche Affären und scherte sich einen Teufel darum, was die Leute von ihm dachten.

Einblicke in das Privatleben des Jahrhundertgenies gewähren jetzt 27 Briefe, die vor einigen Tagen vom Auktionshaus »Profiles in History« in Los Angeles versteigert wurden. Sie stammen aus dem Besitz eines privaten Sammlers und sind teils auf Deutsch, teils auf Englisch verfasst. Manche Briefe schrieb Einstein mit der Hand, andere auf einer Schreibmaschine. »Das sind mit Sicherheit einige der bedeutendsten Dinge, die ich jemals angefasst habe«, sagte der Leiter des Auktionshauses Joseph Maddalena. Anders als etwa ein Autogramm des US-Baseballstars Babe Ruth oder ein signiertes Foto von Marylin Monroe hätten Einsteins Briefe eine historische Bedeutung. Ihr Wert wurde im Vorfeld der Auktion auf eine halbe Million Dollar geschätzt, für rund 420 000 Dollar wechselten sie nun den Besitzer.

Zu den Briefpartnern Einsteins gehörte unter anderem seine Ex-Frau Mileva Marić, von der er sich 1919 hatte scheiden lassen, um in Berlin seine Cousine Elsa Löwenthal heiraten zu können. Aber auch seine beiden Söhne Hans Albert und Eduard, um die er sich ansonsten nur wenig kümmerte, bedachte er mit Briefen. Er möge doch das Schulfach Geometrie endlich ernster nehmen, ermahnte er den einen, während er dem anderen etwas von seinen Schwierigkeiten mit der Freudschen Psychoanalyse erzählte. Seinem Onkel Caesar Koch, der gerade 70 Jahre alt geworden war, dankte Einstein 1924 dafür, dass er ihm als Kind eine Dampfmaschine geschenkt habe. Durch dieses technische Spielzeug sei in ihm ein unstillbares Interesse an der Wissenschaft geweckt worden.

Der Leser der Briefe erfährt auch, wie Einstein ab 1923 den wachsenden Antisemitismus in Deutschland wahrnahm: »Ich sitze hier ruhig in Holland, nachdem ich erfahren habe, dass es gewisse Leute in Deutschland gibt, die hinter mir als ›Jewish Holy Man‹ her sind. In Stuttgart gab es sogar ein Plakat, auf dem ich als reichster Jude aufgeführt war.« Einstein spielte damals mit dem Gedanken, Deutschland zu verlassen. »Aber ich mache es nicht«, schrieb er, »weil dies die deutschen Intellektuellen moralisch schädigen würde.«

Bis heute wird mitunter heftig darüber gestritten, wie Einstein es mit der Religion hielt. Auch hierüber geben seine Privatbriefe Auskunft, von denen einer bereits vor drei Jahren in New York für drei Millionen Dollar versteigert worden war. Er sei zwar kein harter Atheist, stellte Einstein fest, fügte aber sogleich hinzu: »Ich habe wiederholt gesagt, dass die Idee eines personengebundenen Gottes meiner Meinung nach eine kindische ist.« Sich selbst bezeichnete Einstein in einem Brief als Agnostiker und betonte an anderer Stelle: »Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt.«

Als Hitler in Deutschland an die Macht kam, emigrierte Einstein in die USA. Kurz darauf teilte er seinem in der Schweiz lebenden Sohn Eduard mit, dass er beabsichtige, auf die deutsche Staatsbürgerschaft zu verzichten: »Vorerst werde ich nicht nach Deutschland zurückkehren, vielleicht nie wieder.« Tatsächlich setzte Einstein nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden. Aber auch in den USA fühlte er sich nicht heimisch. »In Wahrheit zählt hier nichts als das Geld«, schrieb er 1937 an seine Schwester. In der McCarthy-Ära befürchtete er sogar, dass eine Art amerikanischer Hitler an die Macht komme könne. Die antikommunistische Hetzjagd jener Zeit beschrieb Einstein als eine »systematische Bewegung zur Zerstörung der politischen Rechte des Einzelnen zu Gunsten der ungezügelten Herrschaft einer rücksichtslosen politischen Gruppe«, die dabei von der »großen Industrie« unterstützt werde. Am Ende gab sich der große Physiker resigniert: »Ich habe einen Fehler gemacht, Amerika als das Land der Freiheit auszuwählen, einen Fehler, den ich in meinem Leben nicht mehr ausgleichen kann.«

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