»Hoho-Hahaha!« Schon von Weitem kann man es hören. »Hoho-Hahaha!« Das rhythmische Gelächter wiederholt sich, drängt sich auf und prägt sich ein. Rund 70 Erwachsene stehen im Kreis, klatschen in die Hände, wackeln mit den Armen, gehen in die Knie und verfallen immer wieder in künstlich anmutendes Lachen. »Hoho-Hahaha!« Ein paar murmeln die Silben wie eine mystische Formel, andere schreien sie laut heraus.
Es sind vorwiegend ältere Menschen, die in den Münchner Westpark zum »Lachtreff« gekommen sind. Jeden Sonntag um elf Uhr gibt Cornelia Leisch hier beim Rosengarten eine kostenlose Lach-Yoga-Stunde. »Ich mache das nicht zum Spaß, sondern weil Lachen lebensnotwendig ist«, sagt die Lachtrainerin Leisch, die seit zehn Jahren den Lachclub München 05 leitet. Sie beruft sich dabei auf eigene Erfahrungen: »Ich habe Lachyoga für mich entdeckt, als ich eine schwere Lebenskrise durchgemacht habe.« Nach zwölf Jahren in der Karibik kam sie damals nach Deutschland zurück und musste sich als alleinerziehende Mutter eine neue Existenz aufbauen. »Ich wusste nicht mehr, wie es weitergehen soll«, sagt sie. Das Lachtraining »war wie eine Offenbarung für mich«. Heute ist sie Vorsitzende des »Europäischen Berufsverbands für Lachyoga und Humortraining«.
Große, kleine, dicke, dünne Leute: Auf der weitläufigen grünen Wiese hat sich ein bunter Haufen von Menschen versammelt. Man steht locker nebeneinander und tauscht Blicke aus, es wird viel gelächelt oder gegrinst. Ein Mann mit schräg aufgesetztem Baseballkäppi erzählt, dass er jeden Sonntag aus Augsburg anreist: »Lach-Yoga hilft mir, gegen meine depressiven Verstimmungen anzukommen.« Andere Teilnehmer sind neu, etwa ein älteres Ehepaar aus Niederbayern: »Wir haben erlebt, dass man sich bei Lach-Yoga total entspannen kann«, erzählt Anita Fischl. Sie freut sich, dass ihr Mann mitmacht: »Oft drücken sich die Männer ja vor solchen Dingen.«
Die Neuankömmlinge dürfen sich zu Beginn in die Mitte stellen und bekommen Applaus. »Es kostet Überwindung, zum ersten Mal zum Lachtreff zu kommen«, sagt Cornelia Leisch. »Das sollte man auch anerkennen.« Ihr ist klar, dass die Übungen manchmal ziemlich lächerlich wirken. In der Tat lässt das Publikum nicht lange auf sich warten: Eine Frau bleibt mit ihrem Kind vor der Gruppe stehen und amüsiert sich wie vor einem Käfig wilder Affen. Andere finden das Ganze nur doof. »So was Bescheuertes«, hört man von ein paar Nordic-Walkerinnen, die schnell ihrer Wege ziehen.
Dabei ist Lach-Yoga gar nicht mehr so exotisch. Weltweit gibt es bereits um die 6000 Lach-Clubs, in denen sich Menschen treffen, um laut, aber meist grundlos, miteinander zu lachen. Bekannt wurde Lach-Yoga durch den indischen Arzt Madan Kataria, der 1995 in Mumbai den ersten Lach-Club gründete. Seine Idee war es, Yoga- und Lachübungen miteinander zu verbinden. Er versammelte Menschen zum Gruppengelächter im Park und beobachtete, dass aufgesetztes, künstliches Lachen nach einer Weile in echtes Lachen übergeht. »Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind - wir sind glücklich, weil wir lachen«, lautet sein Motto. Offenbar kann künstlich erzeugtes Lachen tatsächlich positive Gefühle auslösen.
Humorforscher gehen davon aus, dass sich die Hirnregionen, in denen Lachen und Heiterkeit verortet sind, gegenseitig stimulieren. Das bedeutet, dass Erheiterung Lachen auslösen kann - aber auch umgekehrt: »Wenn man fünf Minuten am Stück lacht, ändert sich die Stimmung. Man findet dann alles lustiger«, erklärt der Psychologe und Humorforscher Michael Titze aus Tuttlingen. Auf den Körper wirkt sich Lachen Titze zufolge in ganz verschiedener Weise aus: Beim Lachen werden 17 Gesichtsmuskeln angespannt. Gleichzeitig wird die Atmung stark angeregt, die Stimmbänder werden in Schwingung versetzt und das Zwerchfell massiert die Eingeweide. Dadurch werden die Verbrennungsvorgänge im Körper gefördert. Der Herzschlag wird schneller, verlangsamt sich dann aber wieder, so dass der Blutdruck sinkt. »Insgesamt kommt es zu einer besseren Durchblutung der Muskulatur«, erklärt Titze. »Stresshormone werden abgebaut und die Verdauungsdrüsen angeregt.« Er betont: »Lachen ist Ausdruck reiner Befreiung, vollkommener Spannungslösung.«
Es gibt auch Hinweise, dass Lachen Schmerzen lindern kann. So litt der US-Journalisten Norman Cousins 1979 an der rheumatischen Erkrankung Spondylarthritis und hatte arge Schmerzen. Ärzte konnten ihm nicht helfen. In dieser aussichtslosen Lage behandelte er sich mit hohen Dosen von Vitamin C, kombiniert mit einer selbst erfundenen Humortherapie: Er zog vom Krankenhaus in ein Hotelzimmer, ließ sich lustige Geschichten vorlesen und sah sich Slapstick-Filme an. Hatte er zehn Minuten laut gelacht, ließen seine Schmerzen nach und er konnte zwei Stunden schlafen. Schließlich konnte er bis zum Alter von 75 Jahren normal leben.
Cornelia Leisch versteht Lachtraining als »Gesundheitsvorsorge«. Vor allem möchte sie Menschen dabei helfen, das Leben nicht mehr gar so ernst zu nehmen. Dazu lässt sie die Teilnehmer mal gemeinsam über eine imaginäre Waage, mal über die Uhrzeit lachen. Mal tun alle, als schleppten sie einen gigantischen Dickbauch vor sich her und machten sich darüber lustig. Am Schluss wird beglückt gejubelt. Leischs Partner, Matthias Stürzer, gibt noch jedem ein Schmunzelsteinchen mit. »Manchen Leuten hat das Lachen schon das Leben gerettet«, erzählt Cornelia Leisch und lacht, wie so oft. Aber dann wird sie ernst: »Eine Teilnehmerin hat mir erzählt, dass sie sich vor eineinhalb Jahren aus Einsamkeit umbringen wollte. Dann hat sie den Lachtreff entdeckt.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/976429.die-lachnummer-im-park.html