nd-aktuell.de / 07.07.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Die gemachte Kostenexplosion

Interessensverband der Wohnungsbauwirtschaft sieht bei Schaffung günstigen Wohnraums die Politik in der Pflicht

Rainer Balcerowiak
In Ballungszentren wie Berlin oder München fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, während andernorts die Quartiere veröden.

Der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sieht trotz des guten Geschäftsverlaufs in den vergangenen Jahren erhebliche Risiken für die weitere Entwicklung der Branche. Es fehle eine »umfassende Wohnungsbaustrategie für nachhaltiges, sozial verantwortliches und wirtschaftliches Bauen«, so GdW-Präsident Axel Gedaschko am Montag bei der Präsentation der Jahresbilanz in Berlin. Der GdW repräsentiert rund 3000 kommunale, genossenschaftliche und private Unternehmen mit einem Bestand von sechs Millionen Wohnungen und 13 Millionen Bewohnern.

Hauptproblem ist aus Verbandssicht die nach wie vor unzureichende Neubautätigkeit in den besonders nachgefragten prosperierenden Ballungsräumen. Zwar sei 2015 erneut mit einem Anstieg der Fertigstellungen im Vergleich zum Vorjahr zu rechnen, dennoch reiche dies nicht aus, um die Rückstände aufzuholen und den Bedarf an Wohnungen vor allem im unteren Preissegment zu decken, so Gedaschko. Der Verband geht davon aus, dass bis 2025 pro Jahr 320 000 neue Wohnungen gebraucht werden. Wenn die Politik zu Recht die Schaffung preiswerten Wohnraums anstrebe, müssten Bund, Länder und Kommunen auch für die entsprechenden gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen sorgen.

Zur Kostenexplosion im Neubau hätten laut GdW sowohl die von den Kommunen verlangten Grundstückspreise und Grundsteuersätze als auch »ausufernde Anforderungen« an die energetischen Standards und die infrastrukturelle Gestaltung des Wohnumfelds beigetragen. So sei es in Baden-Württemberg mittlerweile üblich, dass Bauherren pro Wohneinheit einen Auto- und zwei Fahrradstellplätze schaffen müssten. Schon jetzt lägen die Gestellungskosten für ein durchschnittliches Mehrfamilienhaus bundesweit bei über 3000 Euro pro Quadratmeter. Er habe nichts gegen hohe energetische Standards, doch dann müssten auch die entsprechenden Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau dem angepasst werden, fordert der GdW-Präsident.

Eine besondere Herausforderung sieht der Verband in dem wachsenden Zuzug von Flüchtlingen, aber auch von Arbeitsmigranten aus ost-, süd- und südosteuropäischen Ländern, vornehmlich in Großstädte und Ballungsräume. Die »rasche, solide Unterbringung und Integration« dieser Menschen sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, bei der die Wohnraumversorgung nur ein Teilaspekt sei. Zuwanderung sei nicht nur aus humanitären, sondern auch aus demografischen Gründen »keine Belastung, sondern eine Chance« für Deutschland. Dazu wolle die Wohnungswirtschaft ihren Beitrag leisten, es fehle jedoch an einer Gesamtstrategie, die sowohl die Alteingesessenen auf diese Entwicklung vorbereite als auch die schnelle berufliche und soziale Eingliederung der Zuwanderer sichere. Nur so könnten die Entstehung immer neuer sozialer Brennpunkte und die Eskalation von Konflikten verhindert werden.

Ein weiteres ungelöstes Problem für die Wohnungswirtschaft ist die regional extrem unterschiedliche Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Während in Boomregionen wie München und Berlin teilweise dramatische Knappheit an bezahlbarem Wohnraum zu verzeichnen ist, stagnieren oder steigen in großen Teilen Ostdeutschlands sowie in strukturschwachen Gebieten der alten Bundesländer die Leerstandsquoten. Diese beträgt beispielsweise in Sachsen-Anhalt 11,8, in Hamburg dagegen nur 0,9 Prozent.

Hohe Leerstände führten dazu, dass verödete Quartiere entstünden, was die Attraktivität vieler Städte für mögliche Zuwanderer weiter mindere - für Gedaschko ein »wohnungspolitischer Teufelskreis«. Der GdW verlangt daher eine bundesweite Weiterentwicklung des alten »Stadtumbau-Ost«-Programms zur Abrissförderung, um sowohl die Wohnungswirtschaft von untragbaren Kosten zu entlasten als auch die »Zukunftsfähigkeit vieler Städte« zu sichern.