nd-aktuell.de / 08.07.2015 / Ratgeber / Seite 23

Bei Kündigung bleibt Anspruch nicht immer vollständig erhalten

Ergänzungen zu Urlaubsregelungen

Im nd-ratgeber vom 17. Juni 2015 sind wir an dieser Stelle auf Urlaubsansprüche bei Kündigungen eingegangen. Stefan Bell, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Anwaltsbüro Bell & Windirsch in Düsseldorf, schrieb uns dazu wichtige Ergänzungen. Der Autor ist seit über 30 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Natürlich besteht auch im Falle einer Kündigung ein Urlaubsanspruch. Er bleibt jedoch im Falle einer Kündigung keineswegs immer vollständig erhalten.

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) legt den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch fest. Die Länge des Urlaubsanspruchs bestimmt sich aber grundsätzlich nach dem von Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrag. Dieser darf jedoch den Mindesturlaub von 24 Werktagen bei einer Sechstagewoche gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG nicht unterschreiten, das entspricht 20 Werktagen bei einer Fünftagewoche. Eine Erhöhung des Mindesturlaubsanspruchs ist auch durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder (freiwillige) Betriebsvereinbarung möglich.

Richtig ist, dass der volle Urlaubsanspruch für das gesamte Jahr erst dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestanden hat. Vor Ablauf dieser Wartefrist hat der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf Teilurlaub in Höhe eines Zwölftels des Jahresurlaubs für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Bruchteile von Urlaubstagen sind dabei zwingend aufzurunden, soweit sie mindestens einen halben Tag ergeben.

Ein solcher Teilurlaubsanspruch besteht aber auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwar nach Ablauf der Wartefrist endet, aber innerhalb der ersten Hälfte eines Kalenderjahres (also bis 30. Juni). Das heißt, dass im Falle einer arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitigen Kündigung erst ab der zweiten Hälfte des Kalenderjahres der volle Urlaubsanspruch besteht.

Wurde dem Arbeitnehmer jedoch bereits der gesamte Jahresurlaub in der ersten Hälfte des Kalenderjahres gewährt, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt (nicht zu verwechseln mit Urlaubsgeld oder Urlaubsabgeltung) nicht vom Arbeitgeber zurückverlangt werden.

Für die Zwölftelung ist es grundsätzlich unerheblich, ob nur der Mindesturlaub gewährt wird oder ob dem Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages erhöhter Urlaub zusteht.

Allerdings ist es zulässig, dass gleichzeitig mit der Regelung über den erhöhten Urlaub auch bezüglich dieses erhöhten Teils für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen getroffen werden. So kann ein Tarifvertrag die Zwölftelung des tariflichen Mehrurlaubsanspruchs auch noch in der zweiten Jahreshälfte festlegen, was in vielen Tarifverträgen auch so geregelt ist.

Das Fazit: Ein Urlaubsanspruch bei Kündigung bleibt also nicht immer vollständig erhalten