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Das Geheimnis der Gruben von Kap Arkona

Auf dem Areal der slawischen Tempelburg im Norden Rügens fanden Archäologen die Reste einer großen Kulthalle

  • Martina Rathke, Kap Arkona
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Überreste der slawischen Tempelburg auf Rügen stehen unmittelbar an der Kliffkante am Kap Arkona. Nun wurden dort die Überreste einer besonderen Kulthalle entdeckt - eine kleine Sensation.

Auch für die Experten war es eine »riesige Überraschung«: Bei Ausgrabungen an der Tempelburg am Kap Arkona auf der Insel Rügen sind Archäologen auf die Überreste eines in der slawischen Welt bislang unbekannten Gebäudes gestoßen. Sie entdeckten Überreste einer rund acht mal zwölf Meter großen Halle, die offenbar kultischen Handlungen diente. »Das Gebäude ist größer als alle anderen Gebäude, die zwischen Elbe und Polen in der Slawenzeit entstanden«, sagte der wissenschaftliche Projektleiter, Fred Ruchhöft, am Dienstag. Ersten Rekonstruktionszeichnungen zufolge könnte das im 11. Jahrhundert vermutlich auf Eichenpfosten errichtete Gebäude eine Höhe von bis zu zwölf Metern gehabt haben. »Diese Entdeckung ist für uns eine riesige Überraschung und ein großer Erkenntnisfortschritt«, sagte der Landesarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern, Detlef Jantzen. Die slawische Tempelburg an der Nordspitze der Insel Rügen gilt als das zentrale Heiligtum der westlichen Slawen.

Konkret stießen die Forscher unmittelbar an der Kliffkante auf jeweils ein Meter mal ein Meter große Pfostengruben, die zusammen eine leicht schiffsförmige Form ergeben. Schon vor Jahren hatten andere Ausgrabungsteams vier dieser geheimnisvollen Gruben entdeckt, diese aber nicht in einen Zusammenhang gebracht beziehungsweise sie fälschlicherweise als Opfergruben identifiziert. 2013 entdeckte das Grabungsteam um Ruchhöft eine fünfte Grube. An Leerstellen zwischen den Gruben ließ der Ur- und Frühgeschichtler weiter suchen. Dort stieß sein Grabungsteam dann in diesem Jahr auf eine sechste und siebente Pfostengrube. »Der Abstand der Gruben und die leicht schiffsförmig anmutende Fundamentstruktur lässt auf skandinavische Einflüsse schließen«, sagte Ruchhöft. Ähnliche Grundrisse von Zeremoniengebäuden befinden sich im dänischen Tissoe und im schwedischen Uppakra. Rätselhaft ist, warum ein skandinavisches Gebäude in einem slawischen Heiligtum errichtet wurde. Das 11. Jahrhundert war im Nordosten Deutschlands noch »eine tief slawische Zeit«. Die Tempelburg wurde erst gut einhundert Jahre später, im Jahr 1168 endgültig von den dänischen Christen erobert und zerstört. Landesarchäologe Jantzen hält es für durchaus möglich, dass die Burg schon in einer früheren Zwischenphase - im 11. Jahrhundert - in skandinavischer Hand gewesen sein könnte und von diesen die Halle errichtet wurde. Bislang wiesen die Archäologen für diesen Zeitraum fünf Zerstörungsebenen mit Funden von Waffen der Wikinger nach.

Aber Beweise für Jantzens These gibt es nicht. »Die schriftlichen Quellen schweigen. Die archäologischen Quellen sind nicht eindeutig«, sagte er. Ruchhöft geht davon aus, dass die Errichtung des Baus eher Folge eines Kulturtransfers mit Skandinavien war. »Zwischen den Kriegen gab es auch friedliche Phasen des Austauschs und Handels.« In einer dieser Phasen könnte der Bau errichtet worden sein.

Dass der Bau für Kulthandlungen und als Versammlungsstätte genutzt wurde, ist für die Archäologen naheliegend. Unmittelbar neben der Halle gibt es eine Konzentration von Opfergruben, in denen sich Münzen, Perlen und Pfeilspitzen fanden. Wie der slawische Opferkult auf Rügen genau aussah, wissen die Forscher allerdings nicht.

Weil sich die Ostsee pro Jahr rund einen halben Meter vom Küstenkliff holt, führt das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege systematische Notgrabungen durch. dpa/nd

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