Deutsche Krisenpolitik

INTERNATIONALE PRESSE

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Presse, Österreich

Machtfaktor

Im Streit um die Finanzierung Griechenlands ging es in den vergangenen Wochen um einen weiteren, mindestens ebenso wichtigen Faktor: den Faktor der Macht. Die Hardliner unter den Finanzministern - allen voran Deutschlands Wolfgang Schäuble - spielten ihn aus, zunächst geschickt, dann verhärmter, doch immer mit dem gleichen Ziel: den Menschen in Europa zu demonstrieren, dass ein Kurswechsel in der europäischen Krisenpolitik nicht möglich ist, egal, was wahlkämpfende Parteien in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten auch fordern mögen. Das ist ihr gutes Recht, doch dem Projekt der Europäischen Union ist damit nicht gedient: Dieses Projekt muss flexibel bleiben und demokratisch sein, sollen irgendwann Pläne für eine weitere Integration verwirklicht werden.

Le Courrier, Schweiz

Sichtbare Grausamkeit

SYRIZA hat es nicht geschafft, die Wirklichkeit des neoliberalen Europas zu verändern. Doch es ist der Partei gelungen, diese Wirklichkeit in ihrer ganzen Grausamkeit sichtbar zu machen. Sichtbar allen voran für die Griechen, die - nach allem, was Umfragen und Demonstrationen bezeugen - offenbar noch nicht ihr letztes Wort gesprochen haben und die bald wieder in einer neuen politischen Landschaft an die Urnen gehen werden.

La Croix, Frankreich

Welches Europa?

In der EU, das ist keine Überraschung, regiert Deutschland. Berlin hat die Natur und das Ausmaß der von Griechenland verlangten Anstrengungen durchgesetzt. Selbst die Art der Garantien und Kontrollen, die eingerichtet werden - um jeden Versuch Athens zu verhindern, sich einem Teil seiner Verpflichtungen zu entziehen - wurden von Deutschland inspiriert. Und die Zukunft der Euro-Zone wird weiter dieser Logik folgen. Alle Anstrengungen machen aber nur Sinn, wenn sie kein Selbstzweck mehr sind, sondern von einem neuen Ehrgeiz für das europäische Projekt begleitet werden. In welchem Europa wollen wir leben? Dies ist die Frage, die sich mit der griechischen Krise stellt.

La Repubblica, Italien

Sorgerecht geht nach Berlin

Griechenland hat aufgehört, als unabhängiger Staat zu existieren. Was bleibt, sind die Griechen. Aufgerufen, nicht nur verheerende wirtschaftliche Opfer zu bringen, sondern auch die Demütigung zu ertragen, wie Minderjährige behandelt zu werden, denen untersagt wird, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Das Sorgerecht wird pro forma Brüssel und Frankfurt übergeben, de facto Berlin.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

Absichtsvolles Zögern

Aus politökonomischen Gründen haben die Regierungen der Geberländer ein Interesse daran, weiter auf Zeit zu spielen, und zwar mindestens bis zum Ende der eigenen Amtsdauer. So gelingt es ja vielleicht, die langfristig wohl unausweichliche Schmach eines Schuldenschnitts hinauszuzögern und an die nachfolgende Regierung abzutreten.

Der Standard, Österreich

Null Spielraum für Athen

Athen bleibt null Spielraum für politische Gestaltung, muss jede Gesetzesänderung im Vorfeld der Beschlussfassung der verhassten Troika vorlegen. Bereits beschlossene Maßnahmen, die den Geldgebern nicht in den Kram passen, sind zu annullieren. Staatsvermögen dient als Pfand für Hilfsgelder, lediglich die Ansiedlung eines Fonds für öffentliches Eigentum in Luxemburg konnte Tsipras verhindern. Doch auch ohne diesen Punkt ist die Einschränkung der Souveränität Griechenlands nicht zu überbieten.

Sme, Slowakei

Wer käme nach SYRIZA?

Die Eurozone verhält sich allmählich wie ein Geldeintreiber, der ins Haus kommt, um von einer schlechten Ernte auch noch das letzte Korn zu konfiszieren. Wenn SYRIZA das alles schultert, käme es einem kleinen Wunder gleich. Man muss mit Premier Tsipras in keinem Punkt übereinstimmen. Aber wer kommt nach ihm an die Macht? Die griechischen Neonazis?

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