Waffen schweigen für Friedensabkommen

In Kolumbien legt sich die FARC-Guerilla eine Feuerpause auf und die Armee sagt Deeskalation zu

  • David Graaff, Bogotá
  • Lesedauer: 3 Min.
Die kolumbianischen FARC-Rebellen haben ihre Waffen für eine viermonatige einseitige Feuerpause niedergelegt. Ein gutes Zeichen für die Friedensverhandlungen, die in die entscheidende Phase treten.

Es ist ein beiderseitiges Zeichen guten Willens: Seit Montagmorgen schweigen die Waffen der FARC-Guerilla. Die Rebellengruppe verfügte für alle ihre Einheiten bereits zum sechsten Mal seit Beginn der Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung Ende 2012 eine einseitige Waffenruhe. Zugleich will das Militär ab sofort seine Angriffe gegen die Guerilla deutlich verringern.

Für einen Erfolg in der kommenden Phase der im kubanischen Havanna stattfindenden Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien sind damit günstige Voraussetzungen geschaffen. Vier Monate haben die Delegationen von Guerilla und Regierung nun Zeit, bei den verbleibenden Punkten auf der Verhandlungsagenda - den Umgang mit den Opfern, die Frage der Übergangsjustiz und dem Ende des Konflikts - Einigungen zu erzielen.

Mit der gemeinsamen Vereinbarung auf eine viermonatige »Deeskalation« ihres Konflikts ab dem 20. Juli soll den zuletzt kriselnden Verhandlungen neuer Auftrieb verliehen werden. Ziel ist es, »das Vertrauen der Kolumbianer in den Friedensprozess sowie das gegenseitige Vertrauen zwischen den Verhandlungsdelegationen zu stärken.«

Seit Mai war die Gewalt zwischen beiden Seiten in Kolumbien wieder aufgeflammt: Die FARC-Guerilla kündigte einen seit Jahresbeginn einseitigen Waffenstillstand auf und verübte zahlreiche Anschläge auf die Infrastruktur. Das Militär bombardierte Rebellenlager. Dies hatte nicht nur zu zahlreichen Toten geführt, sondern auch das Ambiente am Verhandlungstisch in Havanna nachhaltig geschädigt. Substanzielle Fortschritte gab es seit über einem Jahr nicht. Um die Gespräche zu beschleunigen, wurde nun auch der bisherige Verhandlungsmodus geändert: Statt in relativ kurzen Verhandlungszyklen über die einzelnen Punkte auf der Verhandlungsagenda zu beraten, sollen nun die verbleibenden Themen von zwei verschiedenen aber gleichrangigen Subkommissionen zeitgleich diskutiert werden.

Im November, fast auf den Tag genau drei Jahre nach Beginn der Gespräche, kommt der Friedensprozess dann auf den Prüfstand. »Wenn wir in diesen vier Monaten nicht vorankommen, wird es keinen Frieden geben«, sagte Präsident Juan Manuel Santos. Die FARC-Rebellen sprachen ihrerseits von einer »neuen Hoffnung für die Bevölkerung«.

Zwar beeilte sich die Regierungsseite zu betonen, dass die Verringerung der Militäraktivitäten keine wie von den FARC und sozialen Organisationen mehrfach geforderten beidseitigen Waffenstillstand darstelle, doch werten Beobachter die Einwilligung in eine Deeskalation als Zugeständnis der Regierung. Die als Garanten fungierenden Vertreter der Regierungen Kubas und Norwegens sowie die Beobachter aus Venezuela und Chile hatten zuvor erneut auf ein Ende der Gewalt gedrängt. Der UN-Sonderbeauftragte für Kolumbien, Fabrizio Hochschild, mahnte zudem, es sei notwendig, dass beide Seiten nun auch verbal abrüsteten. »Du kannst keinen nachhaltigen Frieden erreichen, wenn der Krieg in der Rhetorik der Politiker und Meinungsführer andauert«, sagte Hochschild.

Den zahlreichen sozialen Bewegungen des Landes bereitet indes derzeit nicht der Friedensprozess die größten Sorgen, sondern die sie treffende staatliche Repression. In den vergangenen Tagen haben die Justizbehörden zahlreiche Mitglieder der beiden großen linken Sammelbewegungen »Marcha Patriótica« und »Congreso de los Pueblos« festgenommen. Unter anderem wird 13 teils namhaften und anerkannten Menschenrechtsaktivisten aus der Hauptstadt Bogotá vorgeworfen, eine Stadtguerilla aufgebaut zu haben. Sie sollen für mehrere Bombenattentate in den vergangenen Wochen verantwortlich sein. Die im Zuge der Ermittlungen erfolgten Verhaftungen stützen sich laut Medienberichten auf Tonbandaufnahmen und Zeugenaussagen. Die Anwälte der Verdächtigen zweifeln deren Glaubwürdigkeit an. Sprecher beider Organisationen kritisierten die Festnahmen. David Flórez von »Marcha Patriótica« sagte, die juristische Verfolgung von Mitgliedern der sozialen Bewegungen durch die der Behörden entspreche nicht der in Havanna vereinbarten Deeskalation. Spannung und Entspannung liegen in Kolumbien oft nahe beieinander.

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