Privatisierung alternativlos?

Annotiert

  • Rainer Holze
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wurden auch Fehler gemacht?« Diese Frage richtete »neues deutschland« an Wolfgang Schäuble in einem am 7. Oktober 2009 in der Zeitung veröffentlichten Interview, das die Treuhandprivatisierung in den neuen Bundesländern ansprach. Die Antwort: »Ich kenne keine ernsthafte Betrachtung, wie man es hätte anders machen können.« An dieser Einschätzung hält der Finanzminister noch heute fest und mit ihm die Bundesregierung. Im Gegensatz dazu setzte und setzt sich eine Minderheit unter den Wirtschaftswissenschaftlern recht kritisch mit der Privatisierungspolitik der Treuhand auseinander, nicht nur ost-, sondern auch westdeutscher Herkunft. Im aktuellen »JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung« vergleicht Jörg Roesler die Privatisierung von Produktionsbetrieben in den neuen Bundesländern mit der Massenprivatisierung seinerzeit in Polen. In unserem Nachbarland sei sie flexibel, mit Befragung und Beteiligung der Belegschaften verlaufen, während ähnliche Vorstellungen in ostdeutschen Betrieben wegen des Treuhanddiktats nicht verwirklicht worden seien.

Dem 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus sind zwei Beiträge gewidmet, ein Aufsatz von Rolf Badstübner (»Deutschland 1945 - Befreiungsoptionen«) und die Erinnerungen von Gregor Kurella (»Von der Schulbank an die Front der Roten Armee - bis zum Sieg über den Hitlerfaschismus«). Badstübner verdeutlicht die Ausgangssituation 1945 und die sich aus ihr ergebenden verheißungsvollen Befreiungsoptionen und -perspektiven. Das alliierte Deutschlandprojekt von Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung, Demonopolisierung, Demontagen wie auch von Enteignungen, Elitewechsel und Umerziehung habe durchaus deutliche Konturen und weitgesteckte Ziele beinhaltet. Der Phase der Kooperation und der Bemühungen um Verständigung sei nach 1947/48 jedoch die erbitterte und friedensbedrohende Konfrontation des Kalten Krieges gefolgt. Im Unterschied zur entstehenden Bundesrepublik, die mit den gesellschaftspolitischen Befreiungsoptionen und -perspektiven des Neubeginns nach dem Mai 1945 gebrochen und eine restaurative Neuordnung verkörpert habe, seien die in der der sowjetischen Besatzungszone realisierten Befreiungsoptionen in der sich herausbildenden DDR nicht zurückgenommen worden. Insofern habe sich der frühe ostdeutsche Staat als deutlich antifaschistischer von der frühen Bundesrepublik unterschieden, wenn auch mit zunehmender Ausbreitung stalinistischer Dogmen im Kalten Krieg der demokratische Neuaufbau deformiert und stark beeinträchtigt worden sei.

Rainer Holze

JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 2015/II., 228 S., br., 11 €, zu beziehen über die Redaktion, Weydinger Str. 14-16, 10178 Berlin.

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